Sparfüchse für die Industrie

Die optimale Nutzung von Rohstoffen wird für die Industrie bei knapper werdenden Ressourcen immer bedeutender. Das gilt auch für Wasser. Im europäischen Kooperationsprojekt INTELWATT suchen Forscherinnen und Forscher unserer Hochschule nach intelligenten Lösungen zur Wasserersparnis in der Industrieproduktion.

Mann Prof. Dr. Stéphan Barbe (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Energie sparen, die Umwelt schonen, wertvolle Grundstoffe zurückgewinnen und dann auch noch drastisch Kosten senken – wirkungsvoller kann ein Projekt, das Prozesse in der Industrie verbessern will, kaum sein. Deshalb hat Prof. Dr. Stéphan Barbe, der chemische Verfahrenstechnik am Campus Leverkusen lehrt, auch nicht lange gezögert, als ihn der griechische Kollege Andreas Sapalidis für diesem Plan begeistern wollte. Aus der Idee ist inzwischen ein europäisches Projekt geworden, an dem 20 internationale Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt sind: „INTELWATT“ steht für „Intelligent Water Treatment for water preservation combined with simultaneous energy production and material recovery in energy intensive industries“. Die EU fördert die Forschungsarbeiten, die bis 2024 geplant sind, mit rund 10,3 Millionen Euro.

Die Herausforderung, die dahintersteht, ist schnell erklärt. „Jedes Jahr steigt der Anteil der Industrie am Wasserverbrauch um einen Prozentpunkt. Wenn die Entwicklung so weitergeht und wir nichts unternehmen, bekommen wir bis zum Jahr 2050 große Probleme mit der Verfügbarkeit von Wasser“, sagt Prof. Barbe. INTELWATT soll nun zeigen, dass (nicht nur) Wasser in vielen Industriebereichen deutlich sparsamer eingesetzt werden kann. Dafür haben Prof. Barbe und sein griechischer Kollege zunächst drei besonders energieintensive Bereiche identifiziert und für jeden dieser Bereiche geeignete Praxisbeispiele gefunden – eines in Griechenland, eines in Spanien und eines in Deutschland.

Sapalidis koordiniert nun das gesamte Projekt. Der deutsche Part, für den Prof. Barbe und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich sind, widmet sich galvanischen Verfahren. Konkretes Beispiel ist die Firma BIA in Solingen, die der Wissenschaftler aus der Zusammenarbeit beim dualen Bachelor-Studiengang Angewandte Chemie schon kennt. Das Unternehmen ist ein führender Hersteller von Oberflächen für Autos – vor allem im Innenbereich: Kunststoffoberflächen, die dank der galvanischen Behandlung wie Chromteile aussehen. Im Prinzip werden dabei Kunststoffe mit Kupfer, Nickel und Chrom beschichtet. Das ist ein aufwendiges Verfahren mit verschiedenen Bädern, bei dem viel Abwasser erzeugt wird, das mit den genannten Schwermetallen belastet und nicht mehr recycelbar ist. Die Entsorgung ist schwierig und entsprechend teuer.

Die Idee der Forschenden ist nun eine Methode, bei der Abwasser und Metalle so schonend voneinander getrennt werden, dass beides wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden kann. „Das ist kein völlig neues Verfahren, aber unser Ziel ist, die Grenzen des Machbaren deutlich zu verschieben“, erklärt Prof. Barbe. Dafür muss unter anderem der Druck von derzeit etwa 20 bar auf das Sechsfache erhöht werden. Und das wiederum bedeutet, dass die Membranen, durch die das Wasser gepresst wird, entsprechenden Druck auch aushalten müssen. Das Ziel ist durchaus ehrgeizig: 70 bis 80 Prozent Wasser, 65 Prozent Nickel und Kupfer und sogar 95 Prozent Chrom wollen die Forscherinnen und Forscher einsparen. „Die ersten Ergebnisse seit unserem Start im Oktober 2020 sind sehr vielversprechend“, sagt Prof. Barbe. Ein möglicherweise großer Gewinn für die Umwelt also, und ein mehrfacher für die Firma BIA, die mithilfe des Verfahrens etwa 840.000 Euro pro Jahr sparen könnte.

Mann Prof. Dr. Gerhard Braun (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Am Projekt beteiligt ist auch Prof. Dr. Gerhard Braun vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik, der unter anderem Spezialist für Membranprozesse und Wasseraufbereitung ist. Bislang finden die Versuche natürlich noch im Labor statt. Um nachzuweisen, dass das Verfahren auch im industriellen Maßstab funktioniert, wird eine niederländische Spezialfirma Ende 2022 eine entsprechende Anlage in Solingen aufbauen.

Frau Dr. Josipa Lisicar (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Das Projekt ist für unsere Hochschule nicht nur ein wichtiges Forschungsvorhaben, sondern bringt auch wertvolle Vorteile für Lehre und Transfer. Schon jetzt sind neben Dr. Josipa Lisicar als Postdoc noch die Doktorandin Roxanne Engstler und Doktorand Sven Bohr beteiligt. Künftig werden auch Projekt- und Bachelorarbeiten im Zusammenhang mit INTELWATT für Studierende möglich sein. Außerdem möchte Prof. Barbe diese Forschung unbedingt auch der breiten Öffentlichkeit vermitteln, weil sie eben gewinnbringend für Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt und Gesellschaft insgesamt sein kann. Formate wie die Kinder-Uni und die Nacht der Technik will der Wissenschaftler dafür nutzen.

Februar 2021

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin Inside out


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