Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin inside out #60 (2022)

Ein Ort des forschenden Miteinanders

Daten bewerten, reflektieren und verantwortungsbewusst einsetzen: Nachwuchsforscher*innen sollen nicht nur KI-Technologien vorantreiben, sondern sich auch mit Datenstrukturen und einem sinnvollen Umgang mit Datenwissen auskennen – und zwar disziplinübergreifend.

Das Institut für Data Science, Engineering, and Analytics will Promovierenden dafür einen Think Tank anbieten und hat dafür ein eigenes Promotionsprogramm aufgelegt.

Vor zehn Jahren hätten die meisten von uns vermutlich noch nicht geglaubt, wie viele Daten heute alleine über unsere Smartphones gesammelt werden. Und wie viele Daten nötig sind, um sie zu dem komfortablen Allroundwerkzeug zu machen, das wir im Alltag ganz selbstverständlich für die unterschiedlichsten Anwendungen nutzen, zum Beispiel zur Navigation. Und der Gipfel der Datenerfassung ist noch längst nicht erreicht. Perspektivisch werden die meisten Daten wohl von Satelliten gesammelt. Sind derzeit rund 4.500 von ihnen im Erdorbit aktiv, rechnet die Europäische Weltraumorganisation ESA bis 2030 mit 50.000.

Denn neben großen Konzernen wie SpaceX ziehen immer mehr mittelständische Unternehmen und Start-ups auf den Markt. Die Observation von oben ermöglicht uns das moderne Leben, wie wir es gewohnt sind. Und auch bei Wetter- und Katastrophenvorhersagen etwa von Überschwemmungen, Erdbeben oder Waldbränden greifen wir auf gewaltige Datenpakete aus dem All zurück. Notwendig sind solche Informationen auch beim autonomen Fahren, in der Landwirtschaft, beispielsweise dem Precision Farming, oder für das globale Umweltmonitoring.

Prof. Dr. Thomas Bartz-Beielstein (Bild: Michael Bause/TH Köln)

Dr. Thomas Bartz-Beielstein ist Professor für Angewandte Mathematik und Computational Intelligence und Direktor des Instituts Data Science, Engineering, and Analytics, IDE+A am Campus Gummersbach der TH Köln.


Anerkannte Adresse für Promotionen

Diese Bereiche, in denen Künstliche Intelligenz eingesetzt wird, benötigen die Vielzahl an Informationen außerdem für die (Weiter-)Entwicklung leistungsfähiger KI-Technologien. Gerade beim maschinellen und Deep Learning sind die eingesetzten Algorithmen auf möglichst viel Daten-Input angewiesen, um zu „lernen“. Mit den Anwendungsfeldern der KI beschäftigen sich an unserer Hochschule auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Data Science, Engineering, and Analytics, kurz IDE+A.

Das Institut, das wie das englische Wort „idea“ ausgesprochen wird, ist stark interdisziplinär ausgerichtet und zieht Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus den Disziplinen Informatik, Mathematik, Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, Statistik, Automatisierungs- und Elektrotechnik an den Campus Gummersbach. Mittlerweile ist das Institut nicht nur bundesweit, sondern auch international eine anerkannte Adresse für Promotionsvorhaben. Vor allem aus Asien landet eine Bewerbung pro Woche beim Institutsdirektor Prof. Dr. Thomas Bartz-Beielstein auf dem Tisch. Aber auch Absolventinnen und Absolventen deutscher Universitäten möchten am IDE+A promovieren.

Fünf Promotionen wurden seit der Gründung des Instituts 2018 erfolgreich durchgeführt, also im Schnitt eine Promotion pro Jahr. Aktuell sind acht Promovierende am Institut. Sie beschäftigen sich beispielsweise mit der Vorhersage der Belegung von Krankenhausbetten, der sensorischen Erkennung von Stürzen aus Pflegebetten, der Sicherung von Talsperren als Teil der kritischen Infrastruktur oder dem Einsatz neuartiger, seilloser Aufzüge, die auch horizontal fahren können, um beispielsweise die „letzte Meile” im ÖPNV zurückzulegen.

Promotionsrecht in Aussicht

IDE+A ist neben dem Institut für Technologie und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen das zweite Institut unserer Hochschule, das ein Promotionsprogramm für den wissenschaftlichen Nachwuchs anbietet. Neben der engen fachlichen Betreuung zählt dazu ein wöchentliches Doktorandenseminar. Aber vor allem die Möglichkeit des kollegialen Austauschs und der Zusammenarbeit macht IDE+A für angehende Promovendinnen und Promovenden attraktiv, weil daraus ein Think Tank entsteht.

Perspektivisch soll noch mehr gehen: Mit dem neuen Promotionsprogramm KI and Data Science könnten auf diesem Gebiet bald selbstständig Promotionsvorhaben durchgeführt werden – bisher können nur kooperative Promotionsvorhaben mit Universitäten angeboten werden. Es wird erwartet, dass dem Promotionskolleg für angewandte Wissenschaften zukünftig eigene Promotionsrechte verliehen werden.

„Unser bisheriges Promotionsprogramm ist eine Blaupause für KI and Data Science“, sagt der Mathematiker Bartz-Beielstein, der zudem stellvertretender Direktor der Abteilung Informatik und Data Science des Promotionskollegs NRW ist. „Wir wenden seit Jahren am IDE+A innovative Technologien in interdisziplinären Ansätzen an, um qualitativ hochwertige und effiziente Lösungen an der Schnittstelle zwischen der Informatik, den Natur- und Ingenieur-, Geistes- und Sozialwissenschaften und der Industrie zu schaffen. Dazu sind Verfahren aus den Bereichen ‚Künstliche Intelligenz‘, ‚Maschinelles Lernen‘ und ‚Data Science‘ erforderlich.“

Außerdem lernen die Promovierenden nicht nur gemeinsam das Forschen, sondern auch Projektmanagement und Führung sowie didaktische Kompetenzen: Lehrveranstaltungen können also durchaus auch zu ihren Aufgaben gehören.

Datenwissen im Fokus

Doch im Zentrum der Kompetenzvermittlung stehen vor allem die Daten. „Unser Fokus liegt auf der bedarfsgerechten, disziplinübergreifenden Generierung von Wissen, um datengestützt arbeiten und entscheiden zu können“, so Bartz-Beielstein. Egal, welchen fachlichen Hintergrund die Promovierenden haben: Wenn sie mit großen, oft inhomogenen Datenmengen arbeiten, benötigen sie ausreichend Kenntnis über die Datenstrukturen und algorithmischen Verfahren.

Neben der Vermittlung dieser mathematisch- statistischen Kompetenz geht es im Promotionsprogramm KI and Data Science vor allem um die zentrale Frage: Wie setze ich mein Datenwissen ein? Sprich: Welche Rolle spielen die Datenqualität und -sicherheit? Wie können hochdimensionale Daten sinnvoll visualisiert werden, sodass sie für die Praxis nutzbar sind? In welchem Kontext stehen die Daten, wo werden sie wie erhoben und wo kommen die Ergebnisse der Datenanalyse zum Einsatz? Und welche gesellschaftspolitische Relevanz haben die Daten bzw. die Analysen?

Ort des forschenden Miteinanders

Durch das Promotionskolleg NRW besteht die Möglichkeit zur Erforschung dieser Fragen und zur weiteren Vernetzung durch Ringvorlesungen und Kolloquien, die dann auch Promovierenden anderer Hochschulen offenstehen. Darauf freut sich Bartz-Beielstein besonders: „Von Beginn meiner Tätigkeit an der TH Köln hatte ich das Bestreben, ein Umfeld zu schaffen, in dem Studierende forschen und sich gemeinsam austauschen können. So, dass nicht jeder für sich forscht, sondern, dass ein forschendes Miteinander entsteht. Dies würde durch das Promotionskolleg NRW optimal abgerundet werden.“

Weil KI-Technologien auch in den Informationswissenschaften eine immer größere Rolle spielen, sind von unserer Hochschule außerdem die beiden Professoren Dr. Gernot Heisenberg und Dr. Philipp Schaer im Promotionskolleg NRW Mitglieder der Abteilung Informatik und Data Science. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf den Themen Data Mining, Process Mining sowie Time Series Analysis bzw. auf Information Retrieval, digitalen Bibliotheken und der Evaluation und Optimierung von Suchmaschinen.

August 2022

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin inside out #60 (2022)


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