Qualität kostet – das Presseleistungsschutzrecht als Beitrag für mehr Qualitätsjournalismus

Das 13. Kölner Mediensymposium der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht der TH Köln hat am Dienstag, 23. März 2022 unter dem Titel „Mehr als Cum-Ex… Qualitätsberichterstattung über juristische Themen – (Wie) Geht das“ diskutiert, wie komplizierte rechtliche Sachverhalte einer breiten Öffentlichkeit verständlich vermittelt werden können.

04.04.2022

Professor Dr. Christian-Henner Hentsch M.A., LL.M.; Professor für Urheber- und Medienrecht an der TH Köln[i]

Das 13. Kölner Mediensymposium der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht der TH Köln hat am Dienstag, 23. März 2022 unter dem Titel „Mehr als Cum-Ex… Qualitätsberichterstattung über juristische Themen – (Wie) Geht das“ diskutiert, wie komplizierte rechtliche Sachverhalte einer breiten Öffentlichkeit verständlich vermittelt werden können. Dabei wurden entsprechend der illustren Besetzung des Panels mit dem nordrhein-westfälischen Justizminister Peter Biesenbach, dem Leiter der ARD-Rechtsredaktion Dr. Frank Bräutigam, dem BGH-Richter Dr. Peter Allgayer sowie dem Wirtschaftsredakteur der FAZ Marcus Jung und der Rechtsanwältin Dr. Kerstin Stirner vor allem die Rollen und die entsprechenden Aufgaben und Pflichten der verschiedenen Akteure diskutiert. Ohne ausreichende Finanzierung können diese aber mittelfristig nicht erfüllt werden – bei den Gerichten müssten neue Planstellen entstehen, die ARD braucht dafür zumindest einen stabilen Rundfunkbeitrag und die private Presse müsste sich weiterhin staatsfern am Markt refinanzieren können.

Gerade die private Presse steht durch die Digitalisierung unter großem wirtschaftlichem Druck. Gedruckte Zeitungen haben seit Jahren sinkende Auflagen und in den jüngeren Generationen sind Zeitungs-Abos eine Seltenheit. Gleichzeitig hat sich das Rubrikengeschäft wie Immobilien-, Job- oder Kontaktanzeigen auf Onlineplattformen wie Immoscout, Stepstone, Parship oder ebay verlagert. Und auch die Werbung findet über die Jahre hinweg mehr und mehr online statt und nicht mehr als Beilage. Und auch bei der Online-Werbung gibt es durch immer neue und restriktivere Verbraucherschutz- und Datenschutzregelungen immer mehr Beschränkungen. Die private Presse hat daher ein strukturelles Einnahmenproblem bei gleichbleibenden, wenn nicht sogar wachsenden Personalkosten. Die Presse ist daher schon seit Jahren im Umbruch und versucht – auch zunehmend erfolgreich – Synergien zu schaffen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Aber auch bei großen Einsparungen und erfolgreichen Querfinanzierungen, muss sich für private Presseverleger Qualitätsberichterstattung rechnen.

Ein nicht zu unterschätzender Baustein ist dabei das politisch höchst umstrittene Presseleistungsschutzrecht. Nach einem ersten Anlauf des deutschen Gesetzgebers von 2013, der vom EuGH gekippt wurde[ii], hat der europäische Gesetzgeber mit der DSM-Richtlinie europaweit eine vergleichbare Regelung vorgesehen, die der deutsche Gesetzgeber in den §§ 87f ff. UrhG umgesetzt hat und die seit dem 7. Juni 2021 in Kraft sind. Seitdem können Verlage die Nutzung ihrer Inhalte durch Online-Dienste wie die Google-Suche oder den Newsaggregator Google News untersagen oder lizenzieren. Seitdem hat Google bereits mit zahlreichen Presseverlagen Vereinbarungen geschlossen – nur nicht mit der Verwertungsgesellschaft Corint Media, die kollektiv die Nutzungsrechte für die Angebote von Axel Springer und einigen weiteren Verlagen wahrnimmt. Zuletzt hat Corint Media die Lizenzangebote von Google (3,2 Millionen Euro) und ihre eigenen Forderungen in Höhe von 420 Millionen Euro öffentlich gemacht.[iii] Auch wenn die Vergütungshöhe sehr umstritten ist und möglicherweise die Durchsetzung noch Jahre dauert, kann zumindest festgehalten werden, dass erste Zahlungen an Verlage getätigt werden und es damit zusätzliche Einnahmen für die Presse bereits gibt und weitere folgen werden. Das ist eine gute Nachricht für die Qualitätsberichterstattung.

Viel wichtiger ist aber eine andere Entwicklung, die im engen Zusammenhang mit dem Presseleistungsschutzrecht steht. Nahezu alle Online-Angebote der deutschen Presseverlage haben sukzessive um die Einführung des ersten Presseleistungsschutzrechts herum Bezahlschranken eingeführt. Im Dezember 2013 gab der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) bekannt, dass mittlerweile 70 Zeitungstitel in Deutschland Paid-Content-Modelle auf ihren Websites eingerichtet hätten. Im November 2014 waren es mit 100 mehr als ein Drittel aller deutschen Tageszeitungen, welche eine Bezahlschranke eingeführt hatten. Heute sind ganz unterschiedliche Modelle von der harten Bezahlschranke, dem metered Modell über Freemium- und Hybridmodellen bis hin zu freiwilligen Zahlungen allgemein üblich. Ohne ein eigenes Leistungsschutzrecht wären diese Modelle wohl nicht möglich gewesen, weil mit der damaligen Rechtsprechung ohne ein eigenes Verbotsrecht gegen illegale Angebote, die die Bezahlschranken unterlaufen, nicht effektiv hätte vorgegangen werden können.[iv] Erst die Rechtssicherheit und auch die öffentliche Debatte um den Wert journalistischer Inhalte hat diesen neuen und immer weiter wachsenden Revenue-Stream ermöglicht. Das Presseleistungsschutzrecht hat also auch mittelbar Wirkung gezeitigt und eine Qualitätsberichterstattung durch die private Presse finanziell abgesichert.

Gerade die Bezahlschranken sorgen aber dafür, dass wertvoller Content wie Hintergrundrecherchen oder umfangreiche Hintergrundberichte zu Gerichtsprozessen bei privaten Presseangeboten inzwischen nur gegen Bezahlung und damit mutmaßlich nur von Leserinnen und Lesern abgerufen werden, die bereits differenziert den Tagesereignissen folgen. Die breite Öffentlichkeit ist meist nicht bereit, für Inhalte zu bezahlen – schon gar nicht bei mehreren Angeboten – und wird damit von solchen Beiträgen faktisch ausgeschlossen. Hier zeigt sich das Dilemma, dass private Qualitätsberichterstattung kostet, aber für die breite Öffentlichkeit nichts kosten darf. Diese Herausforderung wurde leider nicht angesprochen, ist aber auch nicht neu: Wie kann es gelingen, dass mehr Menschen bereit sind, für Qualität und eben auch für Qualitätsberichterstattung zu bezahlen?

[i] Der Autor war von 2013 bis 2015 bei Corint Media, vormals VG Media beschäftigt.

[ii] Der EuGH hat die deutsche Regelung mangels Notifizierung für unanwendbar erklärt, EuGH MMR 2019, 740.

[iii] https://www.corint-media.com/3_2-millionen-euro-fur-presse-rechte/.

[iv] Vgl. HK-UrhR/Hentsch, § 87f, Rn. 2f

April 2022


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