Hotels sind keine Kabelnetzbetreiber

Hotels sind keine Kabelnetzbetreiber! Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einem Grundsatzurteil zur Kabel- und Satellitenrichtlinie (SatCab) entschieden (C-716/20 v. 8.9.2020).

13.09.2022

Prof. Dr. Stefan Sporn, Honorar-Professor der TH Köln und Sprecher des Beirats der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht*

TV-Sender können sich nicht auf ein Leistungsschutzrecht der „Kabelweitersendung“ berufen, wenn sie die illegale Nutzung ihrer Signale in Hotelzimmern in der EU untersagen wollen. Damit findet ein fast zehn Jahre lang geführtes Verfahren von RTL gegen die portugiesische Hotelkette Pestana ein vorläufiges Ende. Das Urteil ist von erheblicher Tragweite: Es beendet ein etabliertes Lizenzierungssystem aller Rechteinhaber, ist voraussichtlich ein Pyrrhussieg für die Hotels und klärt für die TV-Sender die Strategien zur weiteren Rechtsdurchsetzung. Denn die Nutzung der TV-Signale in Hotelzimmern bleibt dennoch grundsätzlich illegal.

Kernfrage des Urteils des EuGH war, ob es sich um eine „Kabelweitersendung“ handelt, wenn ein Hotel TV-Signale via Sat-Antenne empfängt und diese dann durch ein Kabelnetz innerhalb des Hotels in die Hotelzimmer weiterleitet. Nahezu alle Hotels in der Europäischen Union verweigern „Free-To-Air“-Sendern Lizenzentgelte für die Nutzung in Hotelzimmern. Das war auch bei der portugiesischen Hotelkette Pestana der Fall, die den deutschen TV-Sender in den Gästezimmern nutzte. RTL hatte zur Klärung der Rechtsfragen daraufhin Pestana verklagt. Nachdem die beiden Instanzgerichte die Klage des Senders abgewiesen hatten, entschied der portugiesische Oberste Gerichtshof, unter anderem die Frage nach der Eigenschaft eines Hotels als Kabelnetzbetreiber dem EuGH vorzulegen.

Mit seiner Entscheidung hat der Gerichtshof die etablierten Spielregeln der SatCab für den Rechteerwerb in Hotels für nicht anwendbar erklärt. Was bedeutet das? Bisher bekamen die Hotels alle Urheberrechte aus der Hand der Verwertungsgesellschaften und die Rechte der TV-Sender von diesen direkt. Das war klar, einfach, erprobt, rechtssicher. Das ist jetzt für bestimmte Konstellationen vorbei. (In Deutschland ist die Rechtslage gänzlich verschieden; die Corint Media GmbH als für die Sender zuständige Verwertungsgesellschaft kann ihr Geschäft unverändert weiterführen).

Zunächst ist die Verpflichtung aller Urheberrechtsinhaber wie Komponisten, Autoren etc. weggefallen, ihre Rechte nur durch Verwertungsgesellschaften geltend machen zu dürfen. Damit können die Verwertungsgesellschaften sehr wahrscheinlich nicht mehr garantieren, vollumfänglich Rechte an Hotels zu lizenzieren und sind in ihrer Position geschwächt. Starke Rechteinhaber könnten ihre Chance wittern und sich mit Forderungen, ggf. sogar Unterlassungen von Ausstrahlungen, an die Hotels direkt wenden. Die Hotels werden ab sofort mit einem hohen Grad an Rechtsunsicherheit und einer Vielzahl von Anspruchstellern arbeiten müssen; billiger dürfte es damit für sie nicht werden. Und zu allem Überfluss: Die TV-Sender sind sie auch nicht los. Aus zwei Gründen: Zwar können sich die Sender in der beschriebenen Konstellation nicht auf die „Kabelweitersendung“ berufen, aber in fast allen EU-Ländern ist die „Kabelweitersendung“ lediglich ein speziell geregelter Teil eines übergeordneten allgemeinen Rechts der „Weitersendung“ (ohne „Kabel“). Mit dem Urteil finden nun zwar die speziellen Ausübungsregeln im Bereich der Hotels keine Anwendung mehr. Das Recht an sich, d.h. das Leistungsschutzrecht der „Weitersendung“ wird hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt und kommt zweifellos für Hotels weiterhin zur Anwendung. Und wenn ein solches Recht ausnahmsweise nicht existiert (wie wohl in Portugal), dann bleiben den Sendern immer noch ihre eigenen Urheberrechte, die sie – wie gesagt – auch direkt gegenüber den Hotels geltend machen können.

Das Urteil schafft für die TV-Sender strategische Klarheit, welche Werkzeuge gegen die illegale Nutzung in Hotels genutzt werden können. Die Hotels haben dagegen grundsätzlich nichts gewonnen; sie stehen vielmehr in den meisten Ländern Europas vor größeren Herausforderungen bei der Lizenzierung von TV-Sendern für ihre Gästezimmer als jemals zuvor.

*Der Autor vertrat den Sender RTL bei dem geschilderten Prozess als Partei in seiner Funktion als Geschäftsführer der RTL International GmbH.

September 2022


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