Prof. Dr. Friederike Waentig

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Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS)

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Andreas Krupa

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Good Vibrations - Schwingungsreduzierung an einem altägyptischen Sarg

Die Studierenden und eine zufällig anwesende Besucher*innengruppe versuchen den Sarg durch Hüpfen auf seinem Sockel in Schwingung zu bringen. Frau Dr. Kracht sammelt die Messergebnisse. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)

Ein altägyptischer Sarg aus dem Gustav Lübcke-Museum Hamm wurde am CICS aufwändig restauriert und stellt nun Anforderungen hinsichtlich des Transports und der Aufstellung im Museum. Unter der Anleitung der Schwingungsingenieurin Dr. Kerstin Kracht wurde ein Konzept zur schwingungsreduzierten Lagerung entwickelt, welches den Sarg vor weiteren Fassungsschäden bewahren soll.

Studienprojekt auf einen Blick

Kategorie Beschreibung
Projekt Einmaliger Workshop im Rahmen des Bachelorstudiums
Studienrichtung Objekte aus Holz und Werkstoffen der Moderne Objekte aus Holz und Werkstoffen der Moderne
Beteiligte Studierende Anna-Lena Korsten, Corinna Mally, Jakob Becker
Partner Dr. Jalina Tschernig, Gustav-Lübcke-Museum Hamm, Vize-Direktorin und Leiterin der Ägyptischen Sammlung; Hans Engelmann, Haustechniker am Gustav-Lübcke-Museum Hamm; Dr. Ing. Kerstin Kracht, Schwingungsingenieurin, Toddin
Betreuung am CICS Prof. Dr. Friederike Waentig, Andreas Krupa Dipl.-Rest (FH) M.A., Lisa Burkart M.A.
Laufzeit Frühjahr bis 26.6.2024

Die Ägyptische Sammlung des Gustav Lübcke-Museums Hamm beherbergt eine der umfangreichsten Sammlungen ägyptischer Kunst in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 1993 schenkte der Museumsverein dem Museum den Kastensarg der Sat-Sobek aus der Zeit des Mittleren Reiches. Der Kastensarg datiert in das 20. Jahrhundert vor Christus und ist Teil der Dauerausstellung des Museums mit dem Namen "Ägypten - Geheimnis der Grabkammern". In den Jahren 2016 bis 2019 wurde der Sarg in den Ateliers der Studienrichtung Objekte aus Holz und Werkstoffen der Moderne am CICS konserviert. Im Fokus der Arbeiten stand die Festigung der in kleinen Partikeln erodierenden Fassung der Innenseiten des Sargs. Nach den abgeschlossenen Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten ging es nun um den Rücktransport und die Aufstellung im Museum. Aufgrund der Fragilität der Fassung musste eine besondere Lösung gefunden werden, um einen schwingungsarmen Transport und eine sichere Ausstellungsituation im Museum zu gewährleisten.

Reduzierung von Schwingungen während Transport und Ausstellung

In einem Workshop mit dem Arbeitstitel „Vibrierender Sarg“ wurde in Zusammenarbeit mit der Schwingungsingenieurin Dr. Kerstin Kracht eine vibrationsisolierende Konstruktion entworfen und gebaut, die den Sarg der Sat Sobek sowohl während des Transports als auch, mit geringen Abwandlungen, am Aufstellungsort vor schädlichen Schwingungen schützen sollte. Im Zuge von Schwingungsmessungen im Museum in Hamm konnte die Mutmaßung[1] bestätigt werden, dass am Aufstellungsort erhebliche Gebäudeschwingungen auf den Sarg einwirken. Hier wurden Schwingungen des Museumsbodens von bis zu 17 Hz gemessen. Zu den Frequenzen des in der Nähe eines Verkehrsknotenpunkts gelegenen Gebäudes kommen Trittschwingungen durch die Besucher*innen des Museums. Das zuvor verwendete starre Podest mit Plexiglassturz überträgt den Messungen nach diese Schwingungen beinahe ungefiltert auf den Sarg und dies führte in der Vergangenheit zu Schäden an der Fassung.

Die Herausforderung an den Bau eines neuen Podests bestand also darin die Resonanzschwingungen des Kastensarges zu minimieren bzw. zu verändern, sodass diese die vibrationssensitive Fassung des Sargs nicht losrütteln. Für den Korpus und den Deckel wurde ein Sockel entwickelt, der durch schwere Baumaterialien, mathematisch genau eingestellte Federn und die variable Verwendung von Einlegegewichten die schädlichen Anregungsschwingungen in ein weniger problematisches „Bouncing“ verwandelt und somit die Schadensursache für den Fassungsverlust minimiert. 

Eine besondere Herausforderung bestand dabei darin den unterschiedlichen Belastungssituationen während des Transports per LKW sowie am Ort der Präsentation Rechnung zu tragen. Aus Sicherheitsgründen mussten der Korpus (mit altem Stützgerüst 30,18 kg schwer) und der lose aufliegende Deckel (15,46 kg schwer) für die Reise nach Hamm auf zwei getrennten Transportsockeln montiert werden. Der Deckel wurde auf eine durch Drahtfedern mit dem Basisbrett verbundene einfache Schwingplatte montiert. Die Unterkonstruktion für den Korpus sollte allerdings nicht nur für den Transport sondern auch bereits für die Ausstellung im Museum tauglich sein und den Sarg auf eine Höhe von ca. 30 cm anheben. Hierfür wurde also eine höhere Korpuskonstruktion gebaut.

Für den Transport beider Teile wurden Schwingungen mit einer Frequenz von 6 bis 8 Hz favorisiert, wobei eine Doppelresonanz mit den Schwingungen des Kunsttransport-LKWs ausgeschlossen werden sollte. Diese Ziele konnten durch die Verwendung schwerer Baumaterialien und den Einbau von jeweils sechs Drahtseilfedern zwischen Unter- und Oberbrett bzw. Sockelkorpus erreicht werden.

Die Konstruktion mit den eingebauten Federn alleine konnte allerdings nicht die Anforderungen durch die höheren Frequenzen am Aufstellungsort ausreichend erfüllen. Aus diesem Grund wurde der Sockel mit Einlegefächern konzipiert, in welche schließlich etwa 100 kg an Gewichten eingelegt wurden, um die Masse des schwingenden Korpus einschließlich des Sarges zu erhöhen. Dies führte letztlich dazu, dass die hochfrequenten Vibrationen der Gebäudestruktur in niedere Frequenzen, um die 3,8 bis 4,2 Hz verwandelt werden konnten.

Transportsicherungen

Zur Sicherung der beiden Einzelteile auf den Transportsockeln wurden Anregungen aus dem Bau einer Transporteinheit für einen altägyptischen Sarg des British Museum London[2] aufgenommen. Es wurde eine offene Konstruktion geplant und gebaut, die den Korpus und den Deckel jeweils durch brückenähnliche Elemente einfasst und in einer unveränderlichen Position fixiert. Für den Bau der Brücken wurden Bretter aus Tischlerplatte verwendet, deren Innenseiten mit Tyvek-ummantelten Ethafoam-Platten gepolstert wurden. Als Regenschutz während des Transports zum LKW und ins Museum diente eine wasserdichte Plane.

Die einzelnen Brücken wurden bei dieser Konstruktion Schritt für Schritt angebaut und somit die Fassung des Kastensargs geschont.

Abholung und Transportbegleitung

Am Montag den 24.6.2024 war es schließlich soweit: Der Sarg wurde von einer Kunstspedition am Institut abgeholt und nach Hamm gefahren. Der Transport wurde von einer Studentin begleitet und fortlaufend in einem Transportlogbuch dokumentiert, um besondere Erschütterungen während der Fahrt zu erfassen. Jene konnten dann mit den Daten aus einem Schwingungslogger verglichen werden, der zuvor am Transportsockel des Korpus befestigt wurde.

Im Ergebnis haben die im Logbuch protokollierten Erschütterungen zu keinen nennenswerten Schwingungen am Sarg geführt, sodass der neue Sockel bereits die erste Bewährungsprobe bestehen konnte und auch bei zukünftigen Transporten eine schwingungsarme Reise gewährleisten kann.

Aufstellung im Museum und Messungen

Der Aufbau im Gustav-Lübcke-Museum verlief ebenfalls planmäßig. Zunächst wurde der Transport- und Standsockel positioniert, in die Horizontale gesetzt und im Korpus mit den errechneten Gewichten bestückt. Nun wurde der Sarg auf dem Korpus platziert und zum Schluss der neue Blendsockel und die alte Plexiglashaube montiert. Während der Korpus auf der neuen Sockelplatte steht, wurde das im Inneren des Sarges bereits vorhandenen Hilfsgestell um neue Bauteile erweitert, die den Deckel mit ca. 1 cm Abstand zur Oberkante des Sargkorpus positionieren. Die empfindlichen Flächen und Kanten von Deckel und Korpus des Sargs berühren sich auf diese Weise nicht.

Der Blendsockel und die darauf aufgesetzte Plexiglashaube umschließen die Einheit aus Spezialsockel und Sarg, ohne jene zu berühren. Auch hier wurde ein Abstand von ca. 1 cm gewählt, der bei der schwingungsbedingten Auslenkung der Sarg-Sockel-Einheit genügend Platz lässt, dass sich die beiden Baueinheiten nicht berühren. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der Sarg auf seinem neuen Sockel frei schwingen kann.

Auf den Aufbau des Sarges erfolgten nochmalige Vibrationsmessungen. Jene ergaben, dass die Unterkonstruktion mit den Federn und Gewichten gut funktioniert. Zur weiteren Bestätigung wurden auch Messungen durchgeführt, während Kinder einer zufällig anwesenden Besucher*innengruppe mit großer Freude und heftig aufstampfend um den Sarg hüpften. Auch diese Bewährungsprobe endete mit Messergebnissen, die die Funktion der Konstruktion zur Schwingungsreduzierung bestätigen.

Fazit

Das Team bestehend aus der stellvertretenden Direktorin und Leiterin der ägyptischen Sammlung Dr. Jalina Tschernig, dem Haustechniker Hans Engelmann aus dem Heinrich-Lübcke-Museum, der Schwingungsexpertin Dr. Kerstin Kracht und den beteiligten Lernenden und Lehrenden der Studienrichtung Objekte aus Holz und Werkstoffen der Moderne (HOM) sehen den Workshop als vollen Erfolg an. Der Sarg wurde sicher transportiert und steht nun schwingungsreduziert im Museum. Die Erfolge der aufwändigen Festigungsarbeiten an der Fassung werden auf diese Weise langfristig gesichert, da die Ursache für den Verlust nahezu ausgeschaltet werden kann.

Einen besonderer Dank der Studienrichtung HOM geht an Dr. Kerstin Kracht für die wunderbare Unterstützung und die fachkundige Vermittlung dieses spannenden, noch nicht genügend beachteten Beschäftigungsfelds an unsere Studierenden. Vielen Dank auch an Dr. Jalina Tschernig und Hans Engelmann für die geduldige Begleitung und die tatkräftige Unterstützung beim Bau des Spezialsockels.

[1] Der Zusammenhang zwischen Gebäudeschwingungen und den Fassungsschäden am Sarg wurde erstmalig vom Restaurator des Lübcke-Museums Michael Bottländer gesehen. 

[2] Verena Kotonski, eine Alumna des CICS und heute Head of Organic Conservation am British Museum London, konnte der Studierendengruppe in mehreren Gesprächen einschlägige Erfahrungen mitgeben.

Juni 2025

Prof. Dr. Friederike Waentig

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Andreas Krupa

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