Prof. Dr. Friederike Waentig

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Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS)

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Andreas Krupa

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Eine Zunfttafel der Rebleute aus dem Museum Humpis-Quartier Ravensburg

Die in der studienrichtung Objekte aus Holz untersuchte und restaurierte Zunfttafel des Ravensburger Museums Humpis-Quartier ist ein faszinierendes und zugleich noch rätselhaftes Objekt. Sie verzeichnet die ehedem in der Zunft organisierten Rebleute über mehrere lange Zeiträume. Zur Funktion der in Süddeutschland und der Schweiz verbreiteten Zunfttafeln gibt es bis dato nur Spekulationen.

Die Zunfttafel des Ravensburger Museums Humpis-Quartier ist ein faszinierendes und zugleich noch rätselhaftes Objekt von historischer Bedeutung. Es handelt sich um eine von insgesamt 45 bekannten, runden Zunfttafeln, die auch als Zunftscheiben, Wappentafeln, Totentafeln oder Meistertafeln bezeichnet werden. Tafeln dieser Art stammen aus einem Zeitraum zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert und aus dem süddeutschen Raum und der Schweiz. Sie sind wichtige Zeugnisse vergangener Handwerkskunst und Traditionen. Leider hat die kunsthistorische Forschung trotz erster Bemühungen [1] bisher noch keine Antwort auf die Frage nach der konkreten Funktion der Tafeln.

Im Ravensburger Museum Humpis-Quartier werden 24 dieser Zunfttafeln aus den Jahren 1505 bis 1828 von acht verschiedenen Zünften präsentiert, was diese Sammlung zur umfangreichsten ihrer Art macht.

Schrittweise Bemalung

Die runden hölzernen Schilde zeigen neben den Wappen der jeweiligen Zunft und Stadt in konzentrischen Kreisen angeordnet weitere wappenähnliche Darstellungen, welche die Zunftmitglieder repräsentieren. Die Darstellungen werden durch Namen, Berufsbezeichnungen und Jahreszahlen komplettiert.

Im Falle der hier thematisierten Zunfttafel der Rebleute wird durch die Ausführung der Malereien deutlich, dass nach und nach Gruppen von Mitgliedern hinzugefügt wurden und somit die Vervollständigung des Verzeichnisses über Jahre hinweg, in mehreren zeitlich getrennten Schritten erfolgte. Im Falle der Ravensburger Tafel liegen zudem zwei Schichten der Bemalung vor: die heute sichtbaren Darstellungen bedecken ein älteres Verzeichnis von Mitgliedern, dass kompletrt übermalt wurde.

Ein weiterer Hinweis auf die Entstehungsgeschichte vieler Zunfttafeln sind die oft anzufindenden „Leerstellen“, die aufgrund des Abbruchs der Nutzung der Tafeln, z.B. durch die Auflösung der Zunft, nicht vollständig ausgefüllt werden konnten. Sie deuten darauf hin, dass die Tafeln bereits vorsorglich mit Warteplätzen und Feldern für Inschriften ausgestattet waren, die noch gefüllt werden sollten. Solche Felder finden sich auch an der Tafel der Rebleute.

Verwendung und Funktion

Über die Verwendung und Funktion der Tafeln können laut Dr. Jens Kremb[2] nur Spekulationen angestellt werden. Sie könnten als Mitglieder- und Ämterverzeichnis für den täglichen internen Verwaltungsbetrieb der Zunft gedient haben oder auch als eine Art Gedenktafel für verstorbene Mitglieder. Darüber hinaus könnten die Tafeln als dekoratives Element für die Räume der Zunft gedient haben, um die lange Tradition zu repräsentieren und als Symbol der Gruppe zu dienen. Die kreisförmige Form und die Anordnung der Ringe, die oft mit einem zentralen Drehpunkt versehen sind, lassen vermuten, dass die Tafel gedreht werden konnte. Der Zusammenhang dieser Funktion bleibt jedoch unklar.

Zwei Schichten der Bemalung und Überarbeitung

Die Zunfttafel der Rebleute aus der Sammlung des Museum Humpis-Quartier wurde am CICS untersucht, konserviert und restauriert. Die werksgeschichtliche Untersuchung der Wappentafel erfolgte durch verschiedene Methoden wie Infrarot- und Röntgenuntersuchungen. Dabei wurde festgestellt, dass die Tafel – wie oben bereits erwähnt – Bemalungs- und Überarbeitungsschichten aufweist..

Die Farbschichten lassen sich in drei Hauptarbeitsphasen einteilen: Die erste Phase umfasst die in den Infrarotaufnahmen und Röntgenbildern sichtbaren zuunterst liegenden Bilderringe. Die zweite Phase umfasst das aktuell sichtbare Verzeichnis der Rebleute von 1782 bis 1826, welches 77 Bilddarstellungen umfasst. Schließlich gibt es noch eine dritte Phase, welche auf spätere Veränderungen zurückgeht – darunter ein alle Bilddarstellungen überfangender Firnis, eine Schicht grüner Farbe, die den ursprünglich vergoldeten äußeren Rand der Tafel verdeckt, sowie eine dicke Schicht goldener Bronzefarbe auf dem geschnitzten, an eine Kordel erinnernden, inneren Ring.

Konzeptüberlegungen

Aufgrund des komplexen Aufbaus der Bemalung sowie der Überarbeitungsschichten wurde vor der Konservierung und Restaurierung die Frage der Authentizität diskutiert. Die „ursprüngliche“ Substanz und die Spuren der früheren Nutzung spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewahrung der Geschichtlichkeit der Tafel. Bei der Entwicklung von Kriterien für die Akzeptanz von Veränderungen des ursprünglichen Konzepts der Tafel ist es wichtig, die Auswirkungen jeglicher Eingriffe auf das kulturhistorisch bedeutsame Objekt sorgfältig zu bewerten.

In der Abwägung die Tafel mit ihren Veränderungen aus der Nutzungsphase zu bewahren und dem Wunsch das durch unsachgemäße Überarbeitungen beeinträchtigte Erscheinungsbild zu verbessern, wurde letztendlich entschieden die auf die unsachgemäße Überarbeitung in jüngerer Zeit zurückgehenden Schichten zu beseitigen.

Es ist eindeutig, dass der Firnis sowie die grüne Lackfarbe in jüngerer Zeit und außerhalb des Zunftkontextes hinzugefügt wurden. Dennoch stellte sich die Frage: Sollte diese Phase nicht trotzdem als authentisch angesehen werden? Schließlich ist sie Teil der Geschichte des Objekts. Diese Überlegungen führten zu einer intensiven Diskussion darüber, ob diese Veränderungen in Zukunft noch als maßgeblich angesehen werden und welchen Beitrag sie zum Verstehen der Geschichte des Objekts leisten können. Nach Abwägung aller Fragestellungen und Einholung vieler Meinungen wurde die Wiederherstellung eines schlüssigen, sich an dem historischen Erscheinungsbild orientierenden Gesamtbildes als wichtiger erachtet als das Beibehalten der unansehnlichen Änderungen aus jüngerer Zeit.

Fazit

Die Konservierung und Restaurierung umfasste verschiedene Maßnahmen wie Trockenreinigung, Festigung gelöster Fassungen sowie Firnisabnahme, Farbschichtabnahme und kleinere Retuschen. Insgesamt war die Untersuchung und Konservierung und Restaurierung dieser historischen Wappentafel ein erfolgreicher Prozess, der es ermöglichte, die Zunfttafel in ihrem historisch gewachsenen Bestand zu erhalten und Teile der Geschichte dieses spannenden Objekts aufzudecken.

Wir bedanken uns bei der Direktorin des Museums Humpis-Quartier in Ravensburg Dr. Sabine Mücke für die intensive Diskussion und das die wunderbare Zusammenarbeit.

[1] Der Kunsthistoriker Dr. Jens Kremb beschäftigt sich seit ca. 10 Jahren mit diesen interessanten Objekten und hat hierzu einen langen Aufsatz veröffentlicht: Jens Kremb, Die runden Wappentafeln der Zünfte und die Quadratur des (Wappen-)Kreises, 2017, https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/5015/1/Kremb_Die_runden_Wappentafeln_der_Zuenfte_und_die_Quadratur_des_Wappenkreises_2017.pdf, 4.6.2025.

[2] Siehe Fußnote 1

Juni 2025

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