Kinderfotos und -videos im Internet

Foto-Brost-Classen-840x430 (Bild: Brost Claßen)

Kinderfotos und -videos spielen in sozialen Medien wie TikTok, Instagram, Facebook eine immer größere Rolle. Insbesondere professionelle Creator lassen ihre Communities am Nachwuchs teilhaben. Der Trend ist einleuchtend. Intime Einblicke in das Familienleben wecken Emotionen, die zu Aufmerksamkeit und steigenden Reichweiten führen.

28.11.2023

Dr. Richard Kindling, Rechtsanwalt bei BROST CLAßEN

Kinderfotos und -videos spielen in sozialen Medien wie TikTok, Instagram, Facebook eine immer größere Rolle. Insbesondere professionelle Creator lassen ihre Communities am Nachwuchs teilhaben. Der Trend ist einleuchtend. Intime Einblicke in das Familienleben wecken Emotionen, die zu Aufmerksamkeit und steigenden Reichweiten führen. Zugleich bietet das Thema Kinder vielseitige Möglichkeiten, Content zu erstellen und Produkte zu platzieren.

Die kommerzielle Verwertung von Kinderfotos und -videos in den sozialen Medien stößt auf Kritik. Nicht zu Unrecht. Denn die Veröffentlichung von Kinderfotos und -videos unterliegt den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung. Danach sind Beiträge in sozialen Netzwerken datenschutzrechtlich nur zulässig, wenn einer der Erlaubnistatbestände aus Art. 6 DSGVO einschlägig ist. Darüber hinaus haben Kinder insbesondere ein Recht am eigenen Bild, §§ 22, 23 KUG.

Sowohl nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a) DSGVO als auch gemäß § 22 Satz 1 KUG bedarf die Veröffentlichung von Fotos und Videos grundsätzlich einer Einwilligung der abgebildeten Person. Die Rechtsnatur der Einwilligung ist umstritten. In analoger Anwendung des § 107 BGB erklären im Hinblick auf Kinderfotos und -videos die erforderliche Einwilligung grundsätzlich die Eltern als gesetzliche Vertreter im gegenseitigen Einvernehmen, §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB.

Allerdings führt das Einwilligungserfordernis der Eltern in diesem Zusammenhang zu einem Interessenskonflikt. Denn einerseits begründen sie mit der Veröffentlichung der Fotos und Videos eine Gefahr für Datenschutzinteressen sowie das Persönlichkeitsrecht ihres Kindes, andererseits sind sie qua elterlicher Sorge zum Schutz der ungestörten Persönlichkeitsentwicklung und Privatsphäre des Kindes verpflichtet.

Im Ergebnis willigen Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes in die eigenhändig vorgenommene Rechtsverletzung ein. Demzufolge liegt es nahe, auf diese Einwilligung familienrechtliche Vertretungsbeschränkungen anzuwenden. Gemäß § 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1824 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 181 BGB sind Eltern dann von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen, sobald sie eine Erklärung gegenüber sich selbst abgeben müssten („Insichgeschäft“). Auf Antrag der Eltern im Sinne des § 1809 Abs. 2 BGB erfolgt sodann durch das zuständige Familiengericht gem. § 1809 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einbeziehung eines Ergänzungspflegers, der gemäß § 1809 Abs. 1 Satz 2 BGB die Interessen des Kindes vertritt.

In der Folge ist eine Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a) DSGVO als auch gemäß § 22 Satz 1 KUG in die Veröffentlichung von Kinderfotos und -videos – ohne entsprechende Einbeziehung eines Ergänzungspflegers – erst ab Einsichtsfähigkeit durch das Kind selbst möglich.

Das Veröffentlichen von Kinderfotos und -videos in sozialen Medien ist somit regelmäßig rechtswidrig. Dem Kind stehen deshalb datenschutzrechtliche Löschungs- und Unterlassungsansprüche gegen seine Eltern zu. Zugleich liegt in der Regel ein Verstoß gegen §§ 22, 23 KUG vor, weshalb ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Dieser kann im Übrigen gegenüber dem sozialen Netzwerk als Störer geltend gemacht werden. Bei besonders schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts können Kinder – auch später im Erwachsenenalter – sogar eine Geldentschädigung verlangen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass täglich Eltern durch Kinderfotos und -videos auf Facebook, Instagram, Twitter und TikTok – vorbehaltlich weniger Ausnahmen – Rechte ihrer Kinder verletzen. Daher gilt es, fortwährend zu sensibilisieren und über rechtliche Rahmenbedingungen, Missbrauchspotenziale sowie Handlungsalternativen aufzuklären.

November 2023


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