Das Lagerfeuer brennt noch

Mark_Land-840x430.jpg (Bild: TH-Köln)

Wenn wir über lineares Fernsehen sprechen, dann fällt vor allem bei der Rückbesinnung an „die guten alten Zeiten“ gerne der Begriff vom „Lagerfeuer“.

3.12.2021

Mark Land, Senior Vice President Programm SAT.1, Lehrbeauftragter der Forschungsstelle für Medienrecht

Wenn wir über lineares Fernsehen sprechen, dann fällt vor allem bei der Rückbesinnung an „die guten alten Zeiten“ gerne der Begriff vom „Lagerfeuer“. Das waren früher eben jene Abende, an denen sich die gesamte Familie vor dem Bildschirm versammelte, um ein ganz bestimmtes Programm zu schauen und sich darüber am nächsten Tag mit Verwandten, Bekannten und Freunden auszutauschen. Programme also, die man auf keinen Fall verpassen wollte.

Seitdem haben sich Sehgewohnheiten stark verändert in einem Bereich, den wir heutzutage lieber als Bewegtbildmarkt bezeichnen, weil der Begriff Fernsehen als Klammer längst nicht mehr ausreicht.

Vorbei die Zeiten, in denen die ganze Nation Sportikonen wie Steffi Graf oder Boris Becker bei ihren Siegen in Wimbledon zusah (und das am selben Tag!), mitfieberte, als Michael Schumacher Formel-1-Weltmeister wurde oder man Michael Jackson bei „Wetten dass..?“ auf gar keinen Fall verpassen wollte. Da waren Marktanteile drin, die regelmäßig die 50%-Marke durchbrachen und Reichweiten, die in Einzelfällen auch mal auf über 20 Mio. Zuseher stiegen. Heute fast undenkbar, sieht man vielleicht von der Zugkraft eines Fußball-WM-Finals mit deutscher Beteiligung ab.

Zwischenzeitlich hatte man als Fernsehmacher:in sogar die Sorge, dass das „Lagerfeuer“ vielleicht nicht mehr brennt, ja möglicherweise nicht mal mehr glimmt. Die Befürchtung war, dass die großen Erfolge von früher nicht wiederholbar sind, der Markt mittlerweile zu fragmentiert ist und durch den Eintritt neuer Player in den Markt (Netflix & Co.) diese Zeiten ein für allemal vorbei sind. Vermutlich stimmt das für die o.g. Dimensionen in Bezug auf Reichweiten und Marktanteile. Aber es gibt auch positive Nachrichten für das lineare Fernsehen. „The Masked Singer“ z.B. hat, um das Bild des Lagerfeuers nochmal zu bemühen, wieder einige Scheite aufgelegt und vor allem gezeigt, dass Zuschauer:innen da sind, wenn man das richtige Angebot macht. Marktanteile, die sich regelmäßig zwischen 25-30% bewegen, belegen dies eindrucksvoll. Vielleicht liegt ein Teil des Erfolgs darin begründet, dass diese Show nach sehr klaren und einfachen Regeln funktioniert. Prominente steigen in spektakuläre Kostüme und singen live und unerkannt, bis die miträtselnden Zuschauer:innen sie rauswählen oder zum Sieg tragen. Hinzu kommt, dass hier wirklich die ganze Familie zusammenkommen kann ohne dass die Eltern besorgt sein müssen, ob die Inhalte auch zur Altersstruktur der Kinder passen.

Lean Back passt in diesen (pandemischen) Tagen hervorragend in den Zeitgeist – zurücklehnen und sich unterhaltsam berieseln lassen – trifft beim Publikum einen Nerv. In unsicheren Zeiten suchen die Zuschauer:innen nach Vertrautem, um sich zu zerstreuen und wegzuträumen. Cocooning, ein Trend, sich in schwierigen und komplizierten Zeiten in die eigenen vier Wände zurückzuziehen, setzt sich beim Medienkonsum offenbar konsequent fort. Da wundert es dann auch nicht, dass die jüngeren Neuauflagen von Dalli Dalli, Geh aufs Ganze oder TV Total vom Publikum so goutiert werden. Der mit Abstand größte Erfolg der aktuellen Retrowelle aber war vor kurzem die erste Ausgabe von Wetten dass..? seit knapp 7 Jahren mit über 46% Marktanteil in der Altersgruppe ab 3. Jahren – ein beeindruckendes Comeback, das sicherlich eine Fortsetzung haben dürfte!

„Früher war alles besser“ wird dadurch nicht richtiger, aber auch in der TV-Vergangenheit liegen vermutlich noch ein paar Schätze, die gehoben werden wollen und Impulse, mit denen wir auch heute noch etwas anfangen können. Und damit zurück in die angeschlossenen Entwicklungsabteilungen.

Dezember 2021


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