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Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft

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Prof. Dr. Gunnar Heydenreich

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Maltechnik und Materialwahl Lucas Cranachs des Jüngeren

am Beispiel der Kanzelbilder in der Kapelle auf Schloss Augustusburg (Sachsen) (Jana Herrschafft)

Einleitung

Die jahrzehntelange Zusammenarbeit von Lucas Cranach d. Ä. und Lucas Cranach d. J. in der produktiven Wittenberger Werkstatt erschwert eine klare Differenzierung der Werke von Vater und Sohn. Obgleich Cranach d. J. die Werkstatt des Vaters nach dessen Tode mehrere Jahrzehnte erfolgreich weiterführte, stand der jüngere Cranach bislang in seinem Schatten. In der Vergangenheit führte die intensivere kunstgeschichtliche Forschung zu Cranach d. Ä. dazu, dass das Lebenswerk des jüngeren Cranach bisweilen in die Ausführungen über den älteren Cranach mit einverleibt wurde. Gegenwärtig wird dieses Defizit am Fehlen eines eigenständigen Werkkataloges deutlich. Auch trägt bislang nur eine Monografie1 seinen Namen im Titel.
In Vorbereitung des Jahres 2015, welches von der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland als Themenjahr der Lutherdekade auch Cranach d. J. gewidmet ist, erwacht nun ein größeres Forschungsinteresse. Ziel dieser Arbeit ist es, mit der exemplarischen Untersuchung der 1573 in der Wittenberger Werkstatt geschaffenen und seitdem von restauratorischen Eingriffen weitgehend unberührten Kanzelbilder (Abb. 1), einen Beitrag zum Verständnis der Kunst Lucas Cranachs d.J. zu leisten.

Die Arbeit ist in drei thematische Schwerpunkte gegliedert. Der erste Teil vermittelt einen Einblick in den Forschungsstand zu Cranach d. J. im Allgemeinen und zu seinem  Auftrag für Schloss Augustusburg im Speziellen. Der zentrale Teil der Arbeit widmet sich der technologischen Untersuchung der Kanzelbilder in der Schlosskapelle. Durch verschiedene Analyseverfahren werden neue Erkenntnisse zu Maltechnik und Materialwahl Cranachs d. J. gewonnen. Es folgt eine Bewertung des Erhaltungszustandes insbesondere im Hinblick auf Pigmentveränderungen, welche bei den Kanzelbildern in größerem Maßstab zu beobachten sind. Im Anschluss erfolgt eine Auswertung der Erkenntnisse zur Maltechnik Cranachs d. J. im Kontext der Werkstattpraxis von Vater und Sohn.

Lucas Cranach d. J. und die Kanzel für Schloss Augustusburg

Zu Cranachs d. J. Auftraggebern gehörten Höfe in ganz Europa, darunter auch der kursächsische Hof in Dresden. Für Kurfürst August I. lieferte Cranach d. J. 1571 den Altar und 1573 die Kanzel zur Ausstattung der Kapelle des neu erbauten Jagdschlosses Augustusburg, was anhand eines erhaltenen Briefwechsels zwischen dem Maler und dem Kurfürsten belegt ist. Den Auftrag zur Fertigung des hölzernen Korpus gab Cranach wiederum an den ebenfalls in Wittenberg ansässigen Tischler und Bildschnitzer Wolfgang Schreckenfuchs weiter. Beide arbeiteten in der Zeit von 1560 bis 1586 in verschiedenen Projekten zusammen.
Die hölzerne Konstruktion der Kanzel befindet sich in der nach Süden ausgerichteten Kapelle auf der Ostseite und ist in etwa 2,20 m Höhe an einem Pfeiler montiert. Das Bildprogramm der Kanzel umfasst sechs Szenen aus dem Marienleben sowie aus dem Leben und der Passion Christi. Diese zeigen die Verkündigung an Maria, die Geburt Christi mit Anbetung durch die Hirten, die Taufe Christi, die Kreuzigung, die Grablegung und die Auferstehung. Die Tafel, auf der die Kreuzigung Christi dargestellt ist, trägt am Fuße des Kreuzes auf einem Stein Cranach‘s Schlangensignet und die Datierung „1573“. Über der Kanzel ist ein Schalldeckel angebracht, dessen Unterseite mit einem Bild der Dreifaltigkeit auf vergoldetem Hintergrund gestaltet ist.

Untersuchungsergebnisse

Die Besonderheit dieser Tafelbilder besteht darin, dass sie seit dem Einbau in die Kanzelarchitektur praktisch nicht verändert wurden. Dementsprechend erfolgten die Untersuchungen in situ. Die Unterzeichnung konnte mit einer Infrarot-Kamera (Osiris, 900-1700nm) dokumentiert werden. Oberflächenphänomene wurden unter UV-Licht analysiert. Zudem erfolgte eine Elementbestimmung mittels Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) vor Ort. Die so gewonnenen Erkenntnisse wurden durch die punktuelle Entnahme von Mikroproben für Querschliffe ergänzt. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe eines Auflichtmikroskops und mittels Rasterelektronenmikroskop und energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) konnten die Befunde der RFA präzisiert werden.

Gemäß der Tradition erfolgte die Vorbereitung des Malgrundes der Kanzelbilder mit weißem Leim-Kreide-Grund, auf den eine Bleiweiß-Imprimitur folgte. Die mittels der Infrarotreflektografie sichtbar gemachten Stift-Unterzeichnungen der Kanzelbilder erscheinen skizzenhaft und auf die notwendigsten Linien zur Abgrenzung von Konturen und zur Definition der Formgebung reduziert (Abb. 2). Stilistisch ähneln sich die Unterzeichnungen aller Kanzelbilder sehr, wurden also wahrscheinlich von gleicher Hand ausgeführt, bei der es sich vermutlich um Cranach d. J. handelt. Auch wenn alle Unterzeichnungen vom Meister persönlich stammen, ist bei einem Großauftrag wie der Kanzel davon auszugehen, dass die Werkstattmitarbeiter maßgeblich bei der Ausführung der Malerei beteiligt waren. Die unterschiedliche Ausführung der Malerei bezüglich des maltechnischen Aufbaus und der abweichenden Präzision scheint die Vermutung der Mitarbeit mehrerer Personen an den einzelnen Tafeln zu bestätigen.
Hinsichtlich der Malmaterialien fanden in der Werkstatt von Cranach d. J. Blei-Zinn-Gelb und gelber Ocker als Gelbpigmente, Zinnober und Farblacke für rote Bildpartien, Grünspan für grüne Bildbereiche sowie Azurit und Smalte für blaue Bildpartien Verwendung. Angesichts des Alters der Bilder, der klimatischen Bedingungen in der Kapelle und deren wechselvoller Nutzung in den vergangenen Jahrhunderten befinden sich die Tafeln in einem bemerkenswert guten Zustand. Alle sechs Tafeln erscheinen stabil, jedoch gibt es altersbedingte Veränderungen im Bildgefüge. Neben den offensichtlichen Alterungserscheinungen wie Craquelé-Bildung und Bildschichtverlust sind auf den Kanzelbildern Pigmentveränderungen in größerem Umfang abgelaufen. Hierbei handelt es sich um das Ausbleichen roter organischer Malmaterialien, die Entfärbung von Smalte (Abb. 3), Bleiweißverschwärzung (Abb. 4) und die Verbräunung von Grünspan.

Auswertung der Untersuchungsergebnisse im Kontext des Schaffens beider Cranachs

Der Unterzeichnungsstil Cranachs d. J. mit unruhigen Linienzügen und sparsamer Binnenzeichnung gleicht dem des Vaters. Allerdings erscheinen die Linienzüge bei Cranach d. J. etwas kürzer und abgehackter. Außerdem bevorzugte Cranach d. Ä. Pinsel oder Feder, während die Lebendigkeit in den Unterzeichnungen von Werken des jüngeren Cranach eher von seiner Handhabung des Zeichenstiftes herrührt.
Cranach d. J. verwendete auch dieselben Malmaterialien für gelbe, rote und grüne Bildbereiche wie sein Vater. Azurit – das von Cranach d. Ä. vorwiegend verwendete Blaupigment – wich in Werken des jüngeren Cranach jedoch häufiger zugunsten von Smalte.
Im maltechnischen Aufbau der Kanzelbilder sind Parallelen und Differenzen zur Maltechnik Cranachs d. Ä. zu verzeichnen. So wurde Azurit nicht – im Gegensatz zu vielen Werken Cranachs d. Ä. – mit einer grauen Schicht unterlegt. Die graue Unterlegung blieb auf den Kanzelbildern der Smalte vorbehalten. Ähnlich wie zu Lebzeiten des Vaters kamen in der Werkstatt des Sohnes unterschiedliche Techniken zur Modellierung von Inkarnaten2 zum Einsatz. Oftmals wurde von dunkel nach hell gearbeitet, indem auf flächig brauner Farbe zunächst Schatten angelegt und obenauf mit heller Fleischfarbe lichte Bereiche gesetzt wurden. Neben dieser Technik wurde bei mehreren Inkarnaten die Fleischfarbe auch direkt auf die weiße Imprimitur gelegt und für schattige Bereiche lediglich dunkler ausgemischt. Die zweite Technik wurde insbesondere für die hellen Inkarnattöne in der Taufszene verwendet (Abb. 5 und 6). Durch weiche Übergänge zwischen Hell und Dunkel wurde Plastizität modelliert, ohne dass es vieler formgebender Linien bedurfte. Möglicherweise handelt es sich bei dieser weichen und dünnen Malweise um die Handschrift von Cranach d. J.

Resümee

Im Rahmen dieser Arbeit wurden an den seit 1573 in der Kanzel der Schlosskapelle verbauten Gemälden zahlreiche Informationen zu Maltechnik und Materialwahl Cranachs d. J. gewonnen. Dabei konnten im Vergleich mit der Praxis seines Vaters sowohl Übereinstimmungen als auch Unterschiede festgestellt werden. Die Bestimmung der beträchtlichen Pigmentveränderungen in diesem Werk, ermöglicht eine Korrektur bisheriger kunsthistorischer Bewertungen und Einordnungen. Friedländers pauschaler Vorwurf, die Werke Cranachs des Jüngeren zeichnen sich durch „blasse Farbigkeit und flaue Plastik“3  aus, dürfte nicht grundsätzlich eine mangelnde künstlerische Fähigkeit des jüngeren Cranach reflektieren, sondern auch in altersbedingten Veränderungen begründet sein, wie anhand der erheblich veränderten Bildwirkung der Kanzelbilder verdeutlicht wurde.
Die exemplarische Untersuchung der Kanzelbilder von Augustusburg bildet eine erweiterte Grundlage für die künftige Forschung und für die Beurteilung der Kunst Lucas Cranachs d.J.

Endnoten

1 Ingrid Schulze: Lucas Cranach d. J. und die protestantische Bildkunst in Sachsen und Thüringen. Frömmigkeit, Theologie und Fürstenreformation. Bucha bei Jena 2004.
2 Gunnar Heydenreich: Lucas Cranach the Elder. Painting materials, techniques and workshop practice. Amsterdam 2007, S. 194.
3 Max J. Friedländer, Jakob Rosenberg: Die Gemälde von Lucas Cranach. Basel, Boston, Stuttgart 1979, S. 25

Betreuung

1. Betreuer: Prof. Dr. Gunnar Heydenreich
2. Betreuer: Prof. Dipl. Rest. Hans Portsteffen

Laufzeit

2012-2013

Juli 2015

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