Restaurierung eines orientalischen Einbandes
Abnahme einer Altreparatur vom Buchrücken und Ergänzung der freigelegten Fehlstelle
Studienprojekt auf einen Blick
Kategorie | Beschreibung |
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Projekt | BA-Thesis 2022: Restaurierung eines orientalischen Einbandes |
Leitung | Prof. Dr. Andrea Pataki-Hundt |
Studienrichtung | Schriftgut, Grafik, Fotografie und Buchmalerei |
Beteiligte | Kerstin Merz, B.A. |
Betreuung | 1. Betreuerin: Marlen Börngen, M.A. |
2. Betreuerin: Bert Jacek, M.A. | |
Projektpartner | privater Objekthalter |
Laufzeit | 2022 |
Impressionen vom Studienprojekt
Gegenstand der Bachelorarbeit war eine osmanische Handschrift mit Ganzledereinband aus dem 18. Jahrhundert sowie ein zugehöriger Schuber. Dieser lässt sich auf eine ähnliche Entstehungszeit datieren, ist jedoch aufgrund seiner Gestaltungselemente eher im westeuropäischen Raum zu verorten. Der Fokus lag auf dem Erarbeiten und Ausführen eines Konzeptes zur Restaurierung der Handschrift, zu welchem Zwecke zunächst die kodikologische Untersuchung und Schadenserfassung des Objektes durchgeführt wurden.
Schadensbild
Im Rahmen der Zustandserfassung kristallisierten sich zwei zentrale Schadensbilder heraus: Erstens waren große, mit kupferhaltiger Illumination versehene Teile des Buchblocks von Kupferfraß betroffen, der sich in einer generellen Brüchigkeit des Papiers sowie zahlreichen Fehlstellen manifestierte. Zweitens war eine Altreparatur in Form einer starren Klebstoffschicht und eines stark abgebauten Ziegenleders über den Buchrücken sowie auf den Buchdeckeln auslaufend verklebt. Diese Reparatur bewirkte eine deutliche Versteifung und Deformation des Buches.
Für beide Schadensbilder wurde dringender Handlungsbedarf festgestellt, da aus beiden eine starke Einschränkung der Benutzbarkeit der Handschrift resultierte und zudem gerade im Buchblock die Gefahr von weiteren Ausbrüchen und somit Verlusten gegeben war. So musste ein Konzept für die Sicherung und Stabilisierung des Kupferfraßes erarbeitet und gleichzeitig eine möglichst schonende Abnahmemethode für die Altreparatur ermittelt werden.
Klebstoffanalyse und Testreihe
Angesichts dieser Problemstellung musste zunächst der für die Altreparatur verwendete Klebstoff identifiziert werden, was mithilfe der Fourier-Transformations-Infrarotspektrometrie (FTIR) möglich war. Es handelte sich um einen modernen Klebstoff auf der Basis von Polyvinylacetat (PVAC), der sich laut Ergebnissen von Löslichkeitskeitstests durch Aceton und Methylethylketon (MEK) anlösen ließ.
Im Rahmen einer anschließenden Testreihe wurden an Probekörpern aus Kalbsleder und PVAC-Klebstoff Methoden zum Anlösen des Klebstoffes und folglich Trennen der Probekörper verglichen. Das mechanische Trennen sowie die Verwendung von Gellan Gum, das mit Aceton oder MEK aufgeladen wurde, führten zur Beschädigung der Probekörper, wie Spalten des Narbens, Deformation, Verfärbung und Schrumpfen des Leders. Hingegen verliefen die Tests in einer Lösemittelkammer, sowohl mit MEK als auch mit Aceton ausgesprochen erfolgreich und schadensfrei.
Restaurierungsmaßnahmen
Entsprechend der Ergebnisse aus der Testreihe wurde die Abnahme des Reparaturleders in einer Lösemittelkammer durchgeführt, wofür Aceton verwendet wurde, da dies schneller wirkte als MEK und weniger gesundheitsschädlich ist. Die Handschrift musste lediglich für 30 min in der Kammer platziert werden, woraufhin sich das Reparaturleder leicht mittels Spatels vom Einband lösen ließ. Hierbei zeigte sich, dass das Originaleinbandleder am Buchrücken noch vollständig vorhanden und nur im Gelenkbereich gerissen war, sodass keine Verbindung zwischen Vorderdeckel und Buch bestand. Die Reduktion der Klebstoffreste erfolgte mechanisch mittels Radiergummis, wozu der Klebstoff erst mit Aceton erweicht wurde.
Zur Ergänzung des Gelenkbereiches und somit Anbringen des Vorderdeckels wurde Japanpapierlaminat mit 5 %igem Klucel G in Isopropanol verwendet. Um die Verbindung noch stabiler und die Oberfläche abriebfester zu gestalten wurde als oberste Schicht ein dünn ausgeschärftes Leder aufgebracht.
Für die Sicherung und Stabilisierung der vom Kupferfraß beschädigten Bereiche des Buchblockes wurde ein Bearbeitungskonzept erstellt, das ohne Einbringen von Feuchtigkeit auskommt und somit einer Anregung des Kupferfraßes vorbeugen sollte. Hierzu wurde Remoistenable Tissue aus Japanpapier (3,7 g/m2) und 5 %igem Klucel G in Isopropanol hergestellt und beidseitig über Bruch- und kleineren Fehlstellen aufgebracht.
Resultat
Die Anwendung der im Rahmen der Testreihe erprobten Lösemittelkammer an der Handschrift verlief sehr zufriedenstellend. Die Altreparatur und Klebstoffreste konnten weitestgehend entfernt werden; durch die Laminatergänzung wurde zudem eine äußerst stabile und gleichzeitig flexible Verbindung vom Vorderdeckel zum Buchrücken erzeugt. Das Öffnungsverhalten konnte so signifikant verbessert werden.
Auch für den Kupferfraß ließ sich ein Konzept erarbeiten, das die Sicherung und Stabilisierung von Bruch- und Fehlstellen ermöglicht, ohne die Lesbarkeit von Schrift und Malereien zu beeinträchtigen.
Weitere Infos und Downloads
Dezember 2022