Lutz-Christoph Schöning - Staffordshire University

Blick auf den Haupteingang der Staffordshire University (Bild: Lutz-Christoph Schöning)

Stafford, Großbritannien - 2009/10
Double Degree

Im 2. Semester meines Elektrotechnik Studiums mit der Fachrichtung Automatisierungstechnik entschloss ich mich, einen Teil meiner Studienzeit im Ausland zu verbringen. Ich entschied mich schließlich dazu, dies im Rahmen des Dual-Degree Programms zwischen der FH Köln und der Staffordshire University zu tun, welches das komplette 3. Studienjahr im Ausland vorsieht. Mein Studiengang in Stafford sollte Electronic Engineering werden. Dafür musste ich meinen Studienplan des 3. und 4. Semesters wie folgt anpassen: es wurden Grundlagen der Elektrotechnik 3 mit Datennetze 1, Angewandte Mathematik mit Angewandte Mechanik und Prozessleittechnik 1 mit Sensortechnik ersetzt. Vom Umfang und Anspruch her sind diese Fächer keine größere Hürde als die Normalen, jedoch liegen die Vorlesungen meist parallel und daher ist ein wenig Organisationstalent gefragt.

Die generellen Vorteile und Nachteile eines Auslandsaufenthaltes will ich hier erst gar nicht besprechen sondern ausschließlich meine Erfahrungen und Empfindungen des letzten Jahres. Im September ging es los, wir (zwei Kommilitonen und ich) machten uns erst einmal mit Auto auf den Weg auf die Insel. Wir hatten uns entschlossen mit dem Auto zu fahren, damit wir bequem alle Sachen mitnehmen konnten die wir wollten und nicht auf 15 bis 20 kg begrenzt waren. Mit dem Auto, was insgesamt ca. 12 Stunden dauerte, ging es bis Calais (Frankreich) dann per Fähre nach Dover und schließlich weiter nach Stafford. Noch am Tag als wir ankamen nutzten wir den Luxus des eigenen Autos für den ersten Großeinkauf aus, denn diesen Luxus verloren wir direkt am nächsten Tag wieder, da das Auto wieder zurück nach Deutschland musste. Der Flug am Tag darauf ging schneller und war auch komfortabler, aber wir hatten immerhin alle unsere wichtigen Sachen nun in England.

Los ging es mit einer internationalen Welcome Week, die extra nur für internationale Studenten ausgelegt war. Da die Wenigsten bereits Kontakt zu anderen Studenten hatten, war es wirklich leicht neue Leute kennen zu lernen. Diese erste Woche ging dann mit einer Teamaufgabe zu Ende, wodurch man seinen Kontakt noch verbessern konnte und auch begann, sich über andere Dinge auszutauschen. Die darauf folgende "normale" Welcome Week ist eher für die First Year Studenten gedacht aber auch so ganz in Ordnung, da man dadurch erfährt wo die Bücherei ist, wie man ein Buch ausleihen kann, wo der PC-Pool ist, etc.

Zum Ort Stafford ein paar Worte. Ich fand die Stadt hat genau die richtige Größe um einen Anfang in einem anderen Land zu wagen. Es bestehen gute Einkaufsmöglichkeiten (ASDA, Tesco, Saintsbury, ...) und die Innenstadt ist auch groß genug um für Freunde und seine ganze Familie Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Alles in allem ist es eine schöne kleine Stadt in der man gut ein Jahr leben kann. Wenn es dann doch mal langweilig wird, kann man dank der guten Zuganbindungen einen Ausflug nach Birmingham (ca. 30 Minuten und £12 für ein Return Ticket) oder Manchester (ca. 60 Minuten und £21 für ein Return Ticket) machen; sogar der Weg nach London (ca. 150 Minuten und £70 für ein Return Ticket) ist ohne weiteres möglich. Zu empfehlen ist auch die sogenannte RailCard (kostet £26 und man braucht ein Passfoto) mit der man ab der ersten Fahrt immer 33% des Fahrpreises spart, sie rentiert sich also schon sehr schnell. Im Allgemeinen ist die Preispolitik beim Bahnfahren manchmal nicht ganz nachvollziehbar (zum Beispiel, einfache Fahrt £22 und das Return Ticket kostet dann nur £20), jedoch mit Hilfe der meist sehr freundlichen Bahnmitarbeiter findet man sich auch damit zurecht.

Nach den Welcome Weeks ging es dann mit den ersten Vorlesungen los. Zusätzlich zum Pflichtfach musste man sich im 1. Semester drei aus vier Fächern (Analogue and RF, Real Time Embedded Systems, Power Electronics, Digital Systems) aussuchen. Für diese Auswahl hatte man die ersten zwei Wochen Zeit bzw. es war in dieser Zeit möglich ohne weiteres den Kurs nochmal zu wechseln. Es ist also nicht nötig sich verrückt zu machen, man kann sich alles in Ruhe anschauen und sich dann entscheiden.

Nach den zwei Wochen ging es dann richtig los: die ersten Assignments wurden ausgeteilt und man muss seine Bachelorarbeit (hier halt das Final Year Project) wählen, alles in allem wird man aber nicht alleine gelassen. Das ist ein entscheidender Vorteil dieser doch kleineren Universität, man findet doch meist jemanden der über das jeweilige Anliegen Bescheid weiß.

Nun ein wenig zur Finanzierung und dem Bargeld in England. Die Studiengebühren können durch das Auslands-BAföG übernommen werden, dabei ist es nicht wichtig wie viel BAföG man bekommt, sondern nur dass man eine Berechtigung hat. Dies muss man auch nicht zurückzahlen. Sollte man kein Auslands-BAföG bekommen, gibt es die Möglichkeit hier in England den Studentloan zu beantragen (man muss nur EU-Bürger sein um diesen zu bekommen); wie es da mit der Zurückzahlung läuft weiß ich allerdings nicht. Insgesamt sollte es aber niemanden zurückschrecken ein Auslandssemester zu absolvieren, denn die Erfahrungen und Eindrücke die man bei einem Solchen sammelt zahlen sich mehrfach aus und man wird schnell merken, dass es sich gelohnt hat.

In England gibt es keinen Euro; daher ist man stark vom £/Euro Kurs abhängig und da hat man entweder Glück oder Pech. Es gibt auf jeden Fall genug deutsche Banken die einem ein kostenloses Konto inklusive kostenloser Kreditkarte mit kostenloser Bargeldabhebungen an allen Visa Automaten (das sind wirklich so gut wie alle) weltweit anbieten. Wenn ihr dazu genauere Fragen habt, was auch zu allem anderen gilt, schreibt mir einfach eine Email an die unten stehende Adresse.

Nach circa einem halben Jahr (im Januar 2010) kamen die ersten Klausuren. Diese werden nicht wie in Deutschland in einem Hörsaal geschrieben sondern in der Turnhalle. Es werden meistens so fünf bis sechs Klausuren zum gleichen Zeitpunkt geschrieben. Die Atmosphäre ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber man hat seine Ruhe und kann sich sehr gut auf die Klausuren konzentrieren.

Die meisten Klausuren stellen einem eine Auswahlmöglichkeit zur Verfügung, für 100% an Punkten muss man z.B. 2 aus 3 oder 3 aus 5 Aufgaben beantworten. Dabei ist zu beachten wirklich nur die angegebene Anzahl zu beantworten. Sollte man dies nicht tun, wird nicht geschaut wo man die meisten Punkte hat, sondern es wird einfach von Anfang an geschaut. Mit den Ergebnissen läuft es auch ganz anders als in Deutschland, es gibt einen festen Termin, an dem die Ergebnisse aller Klausuren den Studenten bekannt gegeben werden. Dieser Termin war bei uns so circa zwei Monate nach den Klausuren.

Social events: Ich habe in meiner Zeit in Stafford Basketball gespielt und dabei kam man durch die Auswärtsspiele viel rum, und man hat auch sehr gut neue Leute kennen lernen und Freundschaften knüpfen können. Es werden jede Menge verschiedene Sportarten angeboten, über Fussball, Football, Frisbee, Netball, Basketball, .... eine vollständige Liste gibt es auf http://www.staffsunion.com.

Dann komme ich mal zur Zusammenfassung. Studieren in England ist ein ganz anderes Studieren als in Deutschland. Wenn man mit den Erwartungen anfängt, dort weiter zu machen wo man in Deutschland aufgehört hat, dann wird man sehr wahrscheinlich ein wenig enttäuscht sein. Es ist einfach ein anderes Lernen, man betrachtet manche Sachen, obwohl man sie in Deutschland schon einmal hatte, noch einmal anders, diesmal aus einem anderen Blickwinkel und mit anderen Schwerpunkten. Das Hauptlernen in England besteht darin, Assignments zu lösen und zu schreiben, nicht wie in Deutschland viele Aufgaben zu einem Thema zu berechnen.

Den Vorteil des Auslandsaufenthaltes bekommt man sehr schnell zu spüren, spätestens jedoch sehr deutlich wenn man sich für einen Job bewirbt. Gerade die Tatsache, dass nicht alles vollkommen neuer Stoff ist, hilft einem sehr, sich an die neue Sprache besser zu gewöhnen.

Nun gibt es auch noch meine persönliche Meinung und was ich mitbekommen habe aus dem Jahr in Stafford. Bei mir stand eigentlich schon vorher fest, dass ich nicht nach dem Bachelor arbeiten gehen wollte, sondern noch den Master dranhängen wollte und das, wenn es geht, auch an einer Universität und nicht an der FH Köln. Im Laufe des Jahres habe ich gemerkt, dass ich mir auch vorstellen könnte dies in England zu tun. Also habe ich mich gegen Februar quer durch UK beworben und habe auch relativ schnell Antworten bekommen. Zuerst stand ein Master in Aussicht. Ich hatte mich aber auch zeitgleich für eine Promotionsstelle beworben und auch dort wurde ich angenommen. Mittlerweile bin ich an der Universität in Glasgow angekommen.

Abschließend bleibt zu sagen, wenn mir jemand vor 18 Monaten gesagt hätte dass ich die nächsten 4 Jahre in England verbringen würde, dann hätte ich es sehr wahrscheinlich nicht geglaubt. Aber das hat sich durch die Erfahrungen in Stafford geändert und ich bin sehr froh, es gemacht zu haben.

Bedanken möchte Ich mich noch bei der FH Köln sowie auch der Staffordshire Universität für eine sehr gute Organisation und Unterstützung während dieser Zeit. Dies gilt besonders für Prof. Dr. Bartz, der mir jederzeit mit einem offenem Ohr zur Seite stand. Auch herzlichen Dank an Prof. Dr.-Ing. Krah, Prof. Dr. rer. nat. Bold und Prof. Dr.-Ing. Kreiser für die Ausstellung eines Empfehlungsschreiben. Für den nötigen Rückhalt stand mir ebenso meine Familie und meine Freundin zur Seite, Danke!

Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, schreibt mir einfach eine Email.
Lutz-Christoph Schöning (lutz-christoph.schoening(at)alumni.fh-koeln.de)

Februar 2015


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