Luleå Tekniska Universitet, Schweden

"Eine spannende Zeit in einer anderen Lebensweise" [Kubicki, Sebastian]

Wintersemester 2017/18

Vorbereitung

Im Mai 2016 habe ich an einer einwöchigen Exkursion nach Finnland teilgenommen, die von meinem Studiengang Bauingenieurwesen organisiert wurde. Nach dieser Exkursion stand für mich fest, dass ich für eine längere Zeit zu Studienzwecken nach Skandinavien möchte. Daher habe ich mich bei meinem Professor erkundigt, ob er eine Firma, eine Hochschule oder Ähnliches kennt, bei der ich mich um ein Praktikum bewerben könne. Dieser kam wenige Tage später auf mich zu, da er einen Doktor aus Luleå, Schweden, kennt, der im Bereich des Bauingenieurwesens forscht.

Wahrzeichen Von Lulea
Wahrzeichen von Luleå
Kubicki / TH Köln

Luleå ist die größte Stadt im Norden von Schweden mit etwa 75.000 Einwohnern. Sie liegt etwa 100 km südlich vom Polarkreis. Daher ist das Klima sehr kalt und die Wintertage dunkel. Im Winter können es schnell bis zu -30°C werden. Die Stadt beherbergt die nördlichste technische Universität Schwedens: Luleå Tekniska Universitet (LTU; www.ltu.se). Die LTU bietet eine Vielzahl von unterschiedlichen technischen Studiengängen an. Viele Kurse oder Module werden zudem auf Englisch gehalten. Daher ist ein Auslandssemester an der LTU in englischer Sprache möglich. Die Abteilung, in der mein Betreuer arbeitet, besteht aus ungefähr 20 Personen (mehrere Promovierte, angehende Doktoranden und einem Professor), die aus verschiedensten Ländern kommen, daher wird meistens Englisch gesprochen. Diese arbeiten an verschiedenen Projekten meist zusammen, aber auch alleine. Im Vordergrund steht die Forschung, weswegen von jedem Einzelnen nicht so viele Vorlesungen gehalten werden.

Planung

Nachdem mein Professor den Doktor aus Luleå kontaktiert hatte und dieser Interesse an einem Praktikanten zeigte, plante ich meinen Aufenthalt hinsichtlich eines Forschungsthemas und einem geeigneten Zeitraum mit ihm zusammen. Ich skypte Anfang 2017 mit beiden, um das Thema des Praktikums einzugrenzen. Schnell einigten wir uns auf ein kleines Forschungsprojekt in Richtung des Themas „Building Information Modeling“ (BIM) und „Knowledge-Based Engineering“ (KBE) und Entwurfsautomatisierung. Aufgrund der harten und dunklen Wintertage und wegen diverser Prüfungen und Projektabgaben an der Technischen Hochschule Köln war für mich die beste Zeit Anfang August für drei Monate, nach Luleå zu reisen. So hoch im Norden sind die Sommermonate sehr kurz. Daher wird von vielen Leuten fast der komplette Jahresurlaub in den Monaten Juni bis August genommen. Das war eine indirekte Vorgabe seitens meines Betreuers, erst im August mit dem Praktikum anzufangen, da sonst niemand im Büro wäre, um mich bei meinem Projekt zu unterstützen.

In weiteren Skype-Terminen grenzten wir das Thema ein und sprachen über die Rahmenbedingungen des Praktikums. Mein Betreuer bemühte sich zusammen mit einem im Norden ansässigen Unternehmen um eine Aufgabenstellung.

Lulea University Of Technology
Luleå University of Technology
Kubicki / TH Köln

Bei dem Thema des Projektes konnte ich meine Wünsche äußern. Diese wurden sehr gut integriert, sodass Mitte Mai das Thema feststand und keine weiteren Skype-Termine nötig waren. Dabei war das „Learning Agreement for Traineeships“ des Erasmus+ Programms eine große Hilfe.

In der Vorbereitung auf das Praktikum habe ich bereits an einem Modul im Masterstudiengang teilgenommen, um im Vorfeld einen besseren Blick auf das große Thema BIM zu bekommen, da dieses Thema zurzeit nicht im Bachelorstudiengang gelehrt wird.

Die Webseite der Universität hat eine Seite für Incomings eingerichtet, die grundlegende Informationen über das Leben in Luleå, sowie Unterkunft, Transportmöglichkeiten, Kleidung und Kosten bereithält.

In Luleå gibt es einen kleinen Flughafen, der regelmäßig von zwei Airlines angeflogen wird. Bei einer guten Verbindung kann man vom Düsseldorfer Flughafen über Stockholm in circa 4h 15min in Luleå sein. Bei der Planung zur Anreise habe ich auf Rat eines Mitarbeiters des International Offices keinen kompletten Flug gebucht. Ich habe lediglich ein Flugticket bis nach Stockholm gebucht und habe von da aus den Nachtzug bis nach Luleå genommen. Der Nachtzug benötigt circa 12h.

Unterkunft

In Luleå wird der Wohnungsmarkt über die Kommune organisiert. Wohnungssuchende müssen sich in eine Art Liste bei der Kommune eintragen. Diese wird nach einem bestimmten Schema abgearbeitet. Da es in Luleå allerdings zu wenig Wohnungen gibt, kann dies bis zu mehreren Jahren dauern. Wie es in anderen Gegenden von Schweden aussieht, kann ich nicht beurteilen. Studierende aus dem Ausland können über die Webseite der Universität eine Unterkunft in einem Studierendenwohnheim bekommen. Für mich hat sich die Suche nach einer Unterkunft schnell erledigt, da mein Betreuer aus Luleå mir über Bekannte ein preisgünstiges Zimmer in einer Wohngemeinschaft besorgt hat.

Praktikumsaufgaben

Die Aufgabenstellung wurde zusammen mit einem Unternehmen aus Schweden verfasst, das Fertighäuser aus Holz herstellt. Diese Holzhäuser werden, anders wie in Deutschland üblich, in Modulbauweise hergestellt, um so wenig Zeit auf der Baustelle zu verbringen wie möglich. Das heißt ganze Räume werden in der Fabrik hergestellt, auf Lastkraftwagen umgelagert und zur Baustelle gebracht. Um den Prozess möglichst automatisch zu gestalten, wird in Zusammenarbeit mit der Universität in verschiedenen Bereichen geforscht. Mein Projekt befasste sich mit den Dachstühlen der Häuser, die anders als in Deutschland hergestellt werden. Meine Aufgabe war es, ein parametrisches Modell zu entwickeln, das semi-automatisch die Fachwerkbinder generiert.

Ich arbeitete weitgehend alleine an dem Projekt. Unterstützung erfuhr ich von meinem Betreuer und einem angehenden Doktoranden (PhD Student). Während meines Praktikums waren mehrere Treffen vorgesehen, um Fragen zu klären, meine Fortschritte zu zeigen und die nächsten Schritte zu besprechen. Zwischendurch oder in den Pausen konnte ich dringende Fragen klären. Die restliche Forschungsgruppe half mir während des gesamten Aufenthalts, wenn es um Fragen zum Projekt oder auch um alltägliche Dinge ging.

In den ersten beiden Wochen habe ich wissenschaftliche Artikel zu den Themen BIM, KBE und Entwurfsautomatisierung in Englisch gelesen, um einen besseren Einblick in die Thematik zu bekommen. Außerdem wurden mir Tutorials aus den Vorlesungen zur Verfügung gestellt, um mich mit den Programmen zu befassen, die ich im Laufe des Praktikums verwendet habe. Die Aufgabenstellung, welche ich bearbeitet habe, ist sehr fachspezifisch. Trotzdem konnte ich diese auf unterschiedliche Arten bearbeiten und lösen.

Am Ende der zweiten Woche hatte ich ein Treffen mit der Produktmanagerin der Firma, um Fragen zur Aufgabenstellung zu klären. Im weiteren Verlauf besuchte ich mit einer Studierendengruppe der Universität das Unternehmen und bekam einen Einblick, wie die Häuser der Firma hergestellt werden. Diese war leider auf Schwedisch, weshalb mein Betreuer mitkam, um mir die wichtigsten Sachen zu übersetzen. Am Ende der Führung hatte ich ein persönliches Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Unternehmens, die die Häuser der Firma mit zeichnet und die Dachstühle mit entwirft. Sie erklärte mir, wie das Unternehmen die Dachstühle entwirft und zeigte mir, welche Probleme dabei entstehen können.

Zurück an der Universität habe ich mit meinem Betreuer und dessen PhD Student über die nächsten Schritte gesprochen, welchen Weg wir gehen und welches Programm das Beste für diese Aufgabe ist. Danach begann ich das parametrische Modell zu entwickeln. Nach weiteren Absprachen und Treffen mit meinem Betreuer war das Modell fertig. Das Modell generiert nach Eingabe der Abmessungen eines Daches automatisch einen satteldachförmigen Dachstuhl mit beliebig vielen Fachwerkbindern und lässt im Dachboden einen Raum für die Belüftungstechnik oder einen Serviceraum offen.

Nach der Fertigstellung des Projekts hielt ich vor der Forschungsgruppe eine Präsentation (siehe Bild) und habe danach, zusammen mit meinem Betreuer und dessen PhD Student, an einer Veröffentlichung gearbeitet.

Präsentation Meines Projektes
Präsentation meines Projektes
Kubicki / TH Köln

Alltag

Obwohl Luleå sehr weit im Norden liegt, ist vieles auf den ersten Blick nicht anders als in Deutschland. Jedoch sind bei genauerem Hinsehen viele Kleinigkeiten unterschiedlich.

Zahlungsmittel
Während die Deutschen ihr Bargeld lieben, wissen die Schweden oft nicht mal, welche Farbe die Geldscheine haben. Sie bezahlen grundsätzlich mit der Karte. In vielen Geschäften ist das Bezahlen mit Bargeld nicht möglich. Bei meiner Ankunft habe ich nur einen geringen Betrag an Euros in Schwedische Kronen getauscht und diese so gut wie nie ausgeben können. Daher ist eine Karte in Schweden unerlässlich. Außerdem ist es ratsam, eine Kreditkarte mitzuführen, da die Girokarte nicht überall angenommen wird.

Lebenshaltungskosten
Das Leben in Schweden ist teurer als in Deutschland; zum Beispiel gibt es kein verbilligtes Essen in den Universitätsmensen für Studierende. Während meiner Zeit in Schweden, war der Euro relativ stark gegenüber den Schwedischen Kronen.

Der Umgang mit Stress
In Schweden heißt es oft: „Was lange währt, wird endlich gut“. Die Schweden versuchen möglichst Stress zu vermeiden. Nicht allzu wichtige Abgabetermine (wie beispielsweise Projektberichte) werden oft verspätet eingehalten. Egal wie viel Arbeit auf einen wartet, die Pausen werden strikt eingehalten. Insbesondere die sogenannten „Fikas“, bezahlte Pausen zum Kaffee trinken und sich untereinander auszutauschen, die zweimal am Tag stattfinden, sind sehr beliebt bei den Schweden.

Mittagssonne Anfang November In Lulea
Mittagssonne Anfang November in Luleå
Kubicki / TH Köln

Transportmöglichkeiten
In Luleå fahren mehrere Buslinien von der Innenstadt aus regelmäßig zur Universität und zurück. Die Fahrtzeit beträgt circa 10 Minuten. Als Jugendlicher bekommt man vergünstigte Tickets. Da meine Unterkunft in der Innenstadt gelegen hat, bin ich zu den meisten Freizeitaktivitäten zu Fuß gegangen.

Wetter
Da ich bereits Ende August in Schweden war, war das Wetter relativ warm und die Tage waren hell und lang. Allerdings stiegen die Temperaturen nie über 20°C. Ab dem Herbstanfang fallen die Temperaturen stetig ab und die Tage werden kürzer. Der erste Schnee fiel schon Mitte Oktober, blieb jedoch nicht liegen. Während meinen letzten Wochen, waren die Temperaturen immer unter dem Gefrierpunkt und die Sonne stand gegen Mittag nur knapp über dem Horizont (vgl. Bild).

Freizeit

Da es schon im Herbst in Luleå sehr kalt und dunkel ist und der Sommer sehr kurz ist, wird gutes Wetter so gut wie möglich ausgenutzt, dementsprechend sind Outdoor Aktivitäten, wie beispielsweise Segeln oder Bergsteigen, sehr beliebt.

An der LTU gibt es eine Organisation, die Freizeitaktivitäten veranstaltet (Mitt Livs Stil). Das Angebot ist sehr vielfältig und die Aktivitäten sind oft relativ preisgünstig. Diese gehen manchmal über mehrere Tage und sind längerfristig geplant, können aber auch ganz spontan sein. Ich habe an einem Wochenendtrip zum Mountainbiking in die Berge teilgenommen. Die Unterkunft, die Hin- sowie Rückfahrt, die Leihräder, Helme und die Fahrradrouten wurde von der Organisation gebucht. Da ich keine Fahrradbekleidung mit nach Schweden gebracht hatte, hat mir mein Mitbewohner freundlicherweise damit ausgeholfen. Die meisten Touren und die Anmeldung sind in schwedischer Sprache. Obwohl ich der Einzige war, der kein Schwedisch verstehen und sprechen konnte, wurde die gesamte Tour Englisch gesprochen. Leider war das die letzte Mountainbike Tour für dieses Jahr, ansonsten hätte ich sehr gerne nochmal an so einer Tour teilgenommen.

Während meinem Aufenthalt in Luleå, habe ich mir ein Auto gemietet und bin, vorbei an den höchsten Bergen von Schweden, noch weiter in den Norden bis nach Norwegen gefahren. In Norwegen habe ich mir den Bau der Hålogaland Brücke angeschaut. Diese hat eine Spannweite von 1.145m und war für mich als angehender Bauingenieur sehr beeindruckend.

Nähe Kiruna war ich im Eishotel, das einen kleinen Teil des Hotels auch im Sommer offen hat. Das Hotel, mit seiner Eisbar, ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

Außerdem habe ich Tagesausflüge zu nahe gelegenen Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel der Kirchenstadt oder dem Baumhaushotel, gemacht und war mehrmals in der Arena, um Eishockey zu schauen.

Persönliches Fazit

Das Praktikum hat mir sehr gut gefallen und ich würde es gerne nochmal machen. Die Forschungsgruppe hat mir bei Problemen zum Projekt stets geholfen und das Projekt, welches ich bearbeitet hab, hat sehr viel Spaß gemacht. Zudem habe ich sehr viel gelernt. Deswegen werde ich versuchen das Wissen aus dem Projekt mit meiner Abschlussarbeit zu verbinden.

Beim nächsten Mal würde ich mir allerdings einen anderen Zeitraum auswählen. Die Kälte war nicht das Problem, sondern eher die Dunkelheit, die gegen Ende sehr anstrengend wurde. Deswegen empfehle ich jedem, der im Norden einen längeren Auslandsaufenthalt plant, diesen im Sommer oder im Frühjahr, wenn die Tage wieder länger werden und der Schnee die Umgebung erhellt, durchzuführen.


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