Erinnerungen des Töpferlehrlings Herbert Schuffenhauer

Portrait von Herbert Schuffenhauer aus dem Jahr 2012. (Bild: FH Köln)

Herbert Schuffenhauer, Jahrgang 1910, besuchte die Kölner Werkschulen von 1925 bis 1932. Zunächst war er als Töpferlehrling in der Keramikabteilung am Ubierring tätig und lernte dabei viel über die verschiedenen Techniken in der Keramik. Im Wintersemester 1942/43 kehrte er an die Werkschulen zurück und besuchte die Schriftklasse bei Professor Heinrich Hussmann.

Das Foto zeigt die Karteikarte von Herbert Schuffenhauer.Karteikarte von Herbert Schuffenhauer (Bild: FH Köln)

Aufgaben eines Töpferlehrlings

Im Keller der Keramikabteilung stand ein Ofen, der so groß war, dass man darin stehen konnte. Dort wurden lebensgroße Figuren gebrannt, wie die von unserer Klassenleiterin Dorkas Reinacher-Härlin, die in der Esslinger Kirche die Kanzel tragen.

Herbert Schuffenhauer an der Töpferscheibe im Jahre 1932.Herbert Schuffenhauer an der Töpferscheibe im Jahre 1932 (Bild: Herbert Schuffenhauer)

Über Nacht den Ofen angeheizt

Meine Aufgabe als Töpferlehrling war es, die riesigen Keramiköfen zu heizen. Weil große Keramikstücke nur langsam erwärmt werden dürfen, musste der Ofen lange vorgeheizt werden. Die ganze Nacht über heizte ich ihn an, morgens kam der Lehrer Roth und heizte weiter. Die entstandene Asche fiel in langgezogene Aschekästen.

Ich erinnere mich, dass ich einmal ohnmächtig wurde und in einen dieser Kästen gefallen bin - vielleicht war ich übermüdet oder hatte Gas eingeatmet. Wäre ich mit dem Gesicht nach unten gefallen, hätte ich ersticken können! Aber zum Glück konnte ich mich alleine daraus befreien.

Zwei Zentner Kreide

Neben dem Anheizen des Ofens gehörte es auch zu meinen Aufgaben, Vorräte wie Kreide in den Keller zu schaffen. Kreide wurde damals für Beimischungen im Ton und den Glasuren gebraucht. Lastwagen brachten die zwei Zentner schweren Säcke an den Ubierring; ich musste die Säcke aus dem Wagen in den Keller transportieren. 

Der Keller war über den Hof zu erreichen, an der Pförtnerloge vorbei führte eine Treppe zu einem Lichtschacht. Vom Schacht aus kam man in die Brennräume mit den Öfen, auf der anderen Seite befand sich ein großer Raum für die Vorräte. Die zwei Zentner Kreide auf meinen Schultern tragend, ging es dann über die Freitreppe hinunter in den Vorratsraum.

Seine Tochter, Ulla Schuffenhauer, erinnert sich, dass ihr Vater noch mit 80 Jahren einen Zentner heben konnte!

Entworfen wurde die Südkirche von dem berühmten Architekten Martin Elsässer, Direktor der Kölner Werkschulen von 1920 bis 1925.
Die Terrakottafiguren, die die Kanzel tragen, wurden von Dorkas Reinacher-Härlin geschaffen, Lehrmeisterin für Keramik an den Kölner Werkschulen von 1924 bis 1929. Georg Roth war von 1924 bis 1967 Lehrmeister für Porzellan und Keramik an den Kölner Werkschulen.


Werke während der Studienzeit


Die Seligpreisungen der Bergpredigt

Mein Auftrag war es, die Seligpreisungen aus der Bergpredigt für die Esslinger Kirche in der Kerbschnitttechnik zu schneiden. Sie sollten um die runde Kanzel angebracht werden, die aus großen Keramikkacheln, regelrechten Ofenkacheln, gebaut waren. Lebensgroße Figuren, die von unserer Klassenleiterin, Frau Reinacher-Härlin, hergestellt wurden, tragen die Kanzel in dieser Kirche.

Auf dem Foto sieht man die Inschrift der Kanzel vergrößert.Inschrift der Kanzel in Esslinger Südkirche (Bild: Südkirche Esslingen)

"Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit,
denn sie werden satt werden.
Selig sind, die reinen Herzens sind,
denn sie werden Gott schauen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden,
denn ihnen gehört das Himmelreich."

Um den langen Text der Seligpreisungen auf den Kacheln unterzubringen, lernte ich in der Klasse von Jakob Erbar ein Semester lang Schriftzeichnen. Die Schrift war eine Antiqua-Schrift, die ich ganz schmal in die Kacheln schneiden musste.

Erbars Rat an uns war, unsere Briefe in kleiner Blockschrift zu schreiben. Das haben wir als Schüler auch getan, um in Übung zu bleiben. Heinrich Hussmann verwarf das Zeichnen der Buchstaben und ließ uns mit der Bandzugfeder arbeiten, mit der wir aber nicht so große Buchstaben schreiben konnten.


Jakob Erbar, der u. a. die Schriften Erbar Grotesk und Erbar Fraktur entwickelt hat, war von 1919 bis 1935 als Gewerbeoberlehrer für Schrift, Satz und Buchdruck an den Kölner Werkschulen tätig.
Heinrich Hussmann, Professor für Graphik, graphische Technik, Buchkunst und Werbung, lehrte von 1927 bis 1964 an den Kölner Werkschulen.


Der Bote Gottes

Auf dem Foto sieht man das Relief "Bote Gottes" von Herbert Schuffenhauer.Der "Bote Gottes" von Herbert Schuffenhauer (Bild: FH Köln)

Als Professor König einmal verreist war, habe ich einen Reliefentwurf angefertigt. Bei seiner Rückkehr imponierte ihn dieser Entwurf sehr. 'Das wird sofort ausgeführt', war seine Reaktion, und er hat mich animiert, das Relief auch umzusetzen.

Das Relief zeigt einen Boten Gottes, der das Böse mit einem Stab - anstelle eines Schwertes - überwindet. Mit dem Stab allein hat der Bote Gottes schon so viel Macht, dass das Böse unter seine Füße kam.

Als Vorzeigeobjekt präsentiert

"Der Bote Gottes" gefiel Professor König so gut, dass er es in der Schule vorstellte. Es folgten weitere Arbeiten in dieser Art.

Ein anderes Werk von mir, "Die Mädchen in der Töpferei", stellte der Direktor vor seinem Büro in der ersten Etage aus und nutzte es als Aushängeschild: wenn Besucher kamen, wurde gezeigt, was in der Keramikklasse geleistet wurde.

Diese Arbeiten waren aus Tonplatten, die als Relief strukturiert und in Putz eingelassen wurden. Damals war das eine technische Neuheit und wurde als künstlerische Leistung vorgestellt.

Entartete Kunst

Meine Arbeiten galten später als entartete Kunst. Mein Lehrer Georg Roth hat mein Relief "Der Bote Gottes", welches nach meinem Weggang zunächst in der Schule verblieben ist, vor den Nazis versteckt. Das muss nach 1932 gewesen sein, denn ich hatte die Kölner Werkschulen schon verlassen. Im Keller bei den Keramiköfen suchte Herr Roth eine sichere Stelle: unter dem eingelagerten Holz und Brikett, das für die Brennöfen verwendet wurde, hat er mein Relief versteckt.


Erst nach dem Krieg bekam ich das Relief "Der Bote Gottes" wieder.

"Die Mädchen in der Töpferei" wurden damals zerschlagen.

Auf dem Foto sieht man das Relief "Mädchen in der Töpferei" von Herbert Schuffenhauer.Relief "Mädchen in der Töpferei" von Herbert Schuffenhauer (Bild: Herbert Schuffenhauer um 1930)


Georg Roth war von 1924 bis 1967 Lehrmeister für Porzellan und Keramik an den Kölner Werkschulen.
Ludwig König, Professor für Porzellan, Keramik und Baukeramik, lehrte von 1930 bis 1933 an den Kölner Werkschulen.


Herbert Schuffenhauer ist im Januar 2013 verstorben.

August 2015

Katja Lievertz


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